Dienstag, 28. Oktober 2014

Die Soziale Marktwirtschaft



"Schon der Aufklärer Lacordaire wusste: "Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit."
    Wir SozialdemokratInnen wollen Freiheit für alle Menschen ermöglichen und wissen daher, dass staatliche Regulierung auf demokratischer Basis notwendig ist, um Unterdrückung abzubauen. Soziale Sicherheit ist die Basis für kollektive Freiheit, da man sich politisches und soziales Engagement in unserer Gesellschaft schlicht leisten können muss.
    Wir stehen daher zum System der Sozialversicherung und zur gesetzlichen Regulierung, sei es durch Kündigungsschutz oder Mindestlohn."


Ob der Theologe Jean Baptiste Henri Lacordaire (1802-1861) ein Aufklärer war, soll hier nicht das Thema sein, sondern zunächst einmal die Frage: Wer ist "der Schwache" und wer ist "der Starke"? Dass mit "dem Starken" nicht der mit der größeren Muskelkraft oder derjenige mit der dicksten Keule gemeint sein kann, versteht sich eigentlich von selbst, wird aber vom "Sozialdemokraten" Lars Klingbeil, der mit Sicherheit kein Aufklärer ist, als durchaus gewollte Assoziation eingesetzt, um seine grundsätzlich falsche Vorstellung von "sozialer Marktwirtschaft" unter das unaufgeklärte Wahlvolk zu bringen. Wie jeder Sozialist auf Nachfrage zugeben wird, ist "der Starke" der wirtschaftlich Starke; und die wirtschaftliche Stärke hat nichts mit Fähigkeit, Fleiß oder Intelligenz zu tun. Die wirtschaftlich Starken in einer kapitalistischen Marktwirtschaft sind die Besitzenden (Geld-, Sachkapital- und Bodenbesitzer) und die wirtschaftlich Schwachen sind die Besitzlosen.

Tatsächlich war und ist "das Gesetz" noch nie etwas anderes gewesen, als die Besitzenden vor den Besitzlosen zu schützen!

Dass der Staat das Privateigentum schützen soll und darum ein Gewaltmonopol benötigt, damit die Polizei das Eigentum vor Diebstahl schützen kann, steht außer Frage. Dennoch wurden in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2007 – dem letzten Geschäftsjahr vor der "Finanzkrise", bevor die Lage unübersichtlich wurde – dem arbeitenden deutschen Volk 550 Milliarden Euro gestohlen! Die Polizei konnte absolut nichts dagegen unternehmen, denn der Diebstahl war vollkommen legal. Um eine Vorstellung von der Größenordnung des Diebstahls zu bekommen, teilen wir die Summe durch die 38 Mio. deutschen Haushalte, die nur wenig besitzen, und erhalten 14.470 € pro Haushalt. Die 38 Mio. Bestohlenen haben sich nicht beschwert, sie haben den Diebstahl nicht einmal bemerkt. Gefreut haben sich die Diebe, die nicht für den Diebstahl angeklagt, sondern im Gegenteil für ihre "Leistung" (die keine war) auch noch gelobt wurden: die etwa vier Mio. deutschen Haushalte, die viel besitzen und ohne eigene Arbeit auf Kosten der Mehrarbeit aller anderen immer reicher werden. Die folgende Tabelle berücksichtigt noch nicht die private Bodenrente:


Es wäre sinnlos, darüber zu streiten, wie viele Haushalte als "Bestohlene" und wie viele als "Diebe" anzusehen sind. Es geht hier allein um die Größenordnung und die Bewusstwerdung der Tatsache, dass alles, was die "hohe Politik" vorgeblich für die "soziale Gerechtigkeit" tut, gegenüber der systemischen Ungerechtigkeit der Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz absolut wirkungslos ist. Dazu muss man wissen, dass leistungslose Kapitaleinkommen (Liquiditätsverzichtsprämie, Mindestverzinsung des noch unverschuldeten Sachkapitals und private Bodenrente) in einer Zinsgeld-Ökonomie nicht besteuerbar sind. Alle Einnahmen des "Sozialstaates", die dieser nach Abzug der Kosten für das Beamtenheer an die kapitalismusbedingt Arbeitslosen verteilt, müssen allein von den Arbeitseinkommen aller (noch) sinnvoll Beschäftigten zusätzlich aufgebracht werden. Denn ohne ausreichende Liquiditätsverzichtsprämie (Urzins des Geldes) bricht der Zinsgeld-Kreislauf zusammen (was ohnehin bald passiert), die Mindestverzinsung allen Sachkapitals (Rendite) ist eine zwangsläufige Folge des Urzinses, und jede "Besteuerung" der privaten Bodenrenten wird sofort auf die Pächter oder Mieter abgewälzt. Wer "Spitzenpolitiker" in einer Zinsgeld-Ökonomie (zivilisatorisches Mittelalter) spielen will, darf sich dieser elementaren makroökonomischen Zusammenhänge nicht bewusst sein.

Es ist also nicht so, dass Politiker ein solch dummes Geschwätz wie das eingangs zitierte "absichtlich" von sich geben, sondern sie wissen wirklich nicht, was sie tun. Es ist nicht möglich, einem Politiker die im Grunde einfachen makroökonomischen Zusammenhänge zu erklären. Er versteht sie nicht und will sie auch gar nicht erst verstehen, um sich selbst nicht "überflüssig" vorzukommen. Genau das – das Überflüssigwerden der "hohen Politik" – wird nämlich passieren, sobald die echte Soziale Marktwirtschaft verwirklicht ist:


Der ehemalige deutsche Wirtschaftsminister und spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard (vielleicht der einzige Politiker, der jemals marktwirtschaftlich gedacht hat, alle anderen waren und sind Planwirtschaftler) wusste noch, dass die Soziale Marktwirtschaft nicht eine kapitalistische Marktwirtschaft mit angehängtem "Sozialstaat", sondern eine freie – d. h. monopolfreie – Marktwirtschaft ohne Kapitalismus zu sein hat, die den Sozialstaat zur Finanzierung kapitalismusbedingter Massenarbeitslosigkeit gar nicht nötig hat, weil sie prinzipbedingt und unabhängig vom jeweiligen Stand der Technologie für natürliche Vollbeschäftigung und absolute soziale Gerechtigkeit sorgt. Die heutigen "Spitzenpolitiker" kennen nicht einmal mehr den elementaren Unterschied zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus – die Grundvoraussetzung des Denkens, sofern es das menschliche Zusammenleben im weitesten Sinne betrifft:


Nach dem tatsächlichen Stand des Wissens wäre das zivilisatorische Mittelalter schon seit Jesus von Nazareth…


…oder spätestens seit der Erstveröffentlichung von "Die Verwirklichung des Rechtes auf den vollen Arbeitsertrag durch die Geld- und Bodenreform" (Silvio Gesell, 1906) überwunden. Doch vor der echten Sozialen Marktwirtschaft als dem eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation steht für die Allermeisten die "Auferstehung aus dem geistigen Tod der Religion":


Bevor das Wissen zur Verfügung stand, wie die Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz zu überwinden ist, musste diese "Mutter aller Zivilisationsprobleme" – als die wirkliche Ursache aller Zivilisationsprobleme, die sich überhaupt thematisieren lassen – aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes aktiv ausgeblendet werden. Das war (und ist noch) der einzige Zweck der Religion, die vom Wahnsinn mit Methode (etwa bis zum 6. vorchristlichen Jahrhundert) zum Wahnsinn ohne Methode (spätestens mit der Gründung der "heiligen katholischen Kirche" im 4. Jahrhundert) mutierte. Auf der einen Seite wäre das, was sich heute "moderne Zivilisation" nennt, ohne die Religion nie entstanden, auf der anderen Seite ist nur zusammen mit der Religion das zivilisatorische Mittelalter zu überwinden.

Allgemeiner Wohlstand auf höchstem technologischem Niveau, eine saubere Umwelt und der Weltfrieden erscheinen zunächst als "unerreichbare Utopie", weil – unabhängig von "Glaube" oder "Unglaube" – die Religion eine beliebige Anzahl von "Gegenargumenten" zur freien Marktwirtschaft ohne Kapitalismus hervorbringt und diese bis zum Jüngsten Tag immer wieder aufs Neue entstehen lässt, auch wenn sie alle schon vor über einem Jahrhundert widerlegt wurden. Ohne zu wissen, dass die Religion dahinter steckt, kommentierte Silvio Gesell diesen Sachverhalt 1929 wie folgt:

"Ihr werdet mir tausend Fragen stellen, und nachdem ich sie alle zu eurer Zufriedenheit beantwortet habe, werdet ihr von vorne anfangen."

In einer religiös verblendeten Gesellschaft findet der religiös verblendete "Kritiker" immer genügend Gleichverblendete, die ihm seine "Gegenargumente" abkaufen, auch wenn es gar keine Gegenargumente zur echten Sozialen Marktwirtschaft gibt, sondern nur Vorurteile. Diese können "unter der Gürtellinie" auf tiefstem Niveau als dumpfe Hetzpropaganda von Marxisten hervorgebracht werden, oder auf höherem Niveau z. B. von J. M. Keynes in seiner "Allgemeinen Theorie (der Beschäftigung der Politik)". In allen Fällen bleiben es Vorurteile, mit denen die "Kritiker" nur ihre eigene Propaganda bzw. Bauernfängerei oder ihre eigenen Denkfehler verteidigen wollen:

"Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel."

Friedrich Nietzsche

Das Ziel des Sozialismus ist die soziale Gerechtigkeit und das Ziel des Liberalismus ist die wirtschaftliche Freiheit. Beides sind nicht etwa Gegensätze, sondern sie bedingen einander, was auch nachzulesen ist in der Magna Charta der Sozialen Marktwirtschaft:


Die echte Soziale Marktwirtschaft ist nichts anderes als die Natürliche Wirtschaftsordnung,…


…aber es wäre wohl eine groteske Vorstellung, diese ohne das Wissen zu verwirklichen, dass es sich um nichts Geringeres als den tatsächlichen Himmel auf Erden handelt:


Was verblendete Sozialisten, verblendete Liberale und "Euer Merkwürden" gar nicht erst andenken können, um sich nicht "überflüssig" vorzukommen, wird mit dem bevorstehenden Untergang des zivilisatorischen Mittelalters durch die globale Liquiditätsfalle…


…für die bis dahin (noch) sinnvoll Beschäftigten erstmals vorstellbar:

"Ich finde die Zivilisation ist eine gute Idee. Nur sollte endlich mal jemand anfangen, sie auszuprobieren."

Arthur C. Clarke

Nach der freiwirtschaftlichen Geld- und Bodenreform ist die Zukunft wieder offen – in einem noch unvorstellbaren Ausmaß! Gerade deshalb sollte frühzeitig versucht werden, sich in die Natürliche Wirtschaftsordnung hineinzudenken. Auf Kindergartendiskussionen, die sich mit der a priori sinnlosen Frage beschäftigen, ob es noch eine andere Möglichkeit des zivilisierten Zusammenlebens geben könnte, kann verzichtet werden. Im Grunde genommen sind die letzten hundert Jahre als eine solche "Kindergartendiskussion" zu bezeichnen, die wohl in naturwissenschaftlich-technischer Hinsicht einiges Nützliche hervorgebracht hat, aber gar keine Verbesserung in Bezug auf die Basis allen menschlichen Zusammenlebens (Makroökonomie) und die grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung (Geld).

Dass mit der "Mutter aller Zivilisationsprobleme" auch alle anderen Zivilisationsprobleme verschwinden, sollte ebenso selbstverständlich sein wie die Erkenntnis, dass materielle und geistige Massenarmut, Umweltverschmutzung und -zerstörung, Terrorismus und Krieg bis zur freiwirtschaftlichen Geld- und Bodenreform nur noch schlimmer werden. Wie schlimm es werden muss, damit die reale Angst vor dem Untergang unserer "modernen Zivilisation" insgesamt größer wird als die seit Jahrtausenden eingebildete Angst vor dem "Verlust" der Religion, wird sich erweisen, sobald die Börsenkurse endgültig ins Bodenlose fallen und die Weltwirtschaft wieder anfängt zu schrumpfen. Am Ende des absolut letzten kapitalistischen Wirtschaftszyklus ist der Schrumpfungsprozess durch "politische Maßnahmen" (Erhöhung der Staatsverschuldung und Geldmengenausweitung) nicht mehr aufzuhalten!  

Dass allein die gesetzlich verbindliche Ankündigung der echten Sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland den Schrumpfungsprozess der ganzen Weltwirtschaft sofort beendet, ist nicht so leicht zu verstehen, ebenso wie die ab diesem Zeitpunkt schon in etwa fünf Jahren zu erreichende globale Vollbeschäftigung. Bei genauerer Betrachtung ist das nur folgerichtiges Denken, sobald man die Kindergartendiskussionen hinter sich gelassen hat. Bedauerlich ist nur, dass die "etablierten" Massenmedien im einstigen Land der Dichter und Denker noch nicht einmal auf dem "Niveau" der Kindergartendiskussionen angelangt sind. Bei ARD und ZDF wird es wie in der politischen Seifenoper noch ein Weilchen dauern, bis die Akteure begriffen haben, dass sie sich in der Matrix befinden und nicht in der Realität.

Die Matrix kann als die Summe aller Vorurteile und Denkfehler aufgefasst werden, die der "Normalbürger" nötig hat, um "diese Welt" für die "beste aller möglichen Welten" zu halten und alles, was (noch) nicht funktioniert, einer hypothetischen "Sündhaftigkeit des Menschen" anzulasten, die durch eine wie auch immer geartete "Moral" zu verbessern sein müsste. Noch rückständiger als die "Sozial"politiker sind die Moralverkäufer, denn was ist schon eine "Moral" (unabhängig davon, ob manche sie "Ethik" nennen) gegen die endgültige Lösung der sozialen Frage, die Verwirklichung des Prinzips Eigennutz = Gemeinnutz:


Statt das Kind mit dem Bade auszuschütten, indem die Marktwirtschaft "staatlich kontrolliert und geregelt" wird, was dem Kapitalismus ohnehin nichts anhaben kann, sondern nur auf direktem Weg in die planwirtschaftliche Diktatur (Staatskapitalismus) führt, werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so eingestellt, dass leistungslose Kapitaleinkommen sich beim freien Spiel der Marktkräfte eigendynamisch auf Null regeln! Das bedeutet konkret:

1. Sofortiger Rückgang der Arbeitslosigkeit bis hin zur Vollbeschäftigung, danach Verdopplung des Lohnniveaus bei Arbeitszeithalbierung.
2. Regenerative Energien werden auch ohne Subventionen wirtschaftlicher als fossile Energien, das gleiche gilt entsprechend für ökologische Land- und Forstwirtschaft.
3. Mittelständische Unternehmen werden konkurrenzfähiger als Konzerne, diese zerfallen in kleinere, effektivere Einheiten.
4. Qualität ersetzt Quantität, Fähigkeit und Wissen ersetzen Besitz und Macht.
5. Individualisierung und Vielfalt ersetzen Vermassung und Eintönigkeit.
6. Professionalität ersetzt Verkaufbarkeit, Bildung verdrängt Werbung.
7. Die Polaritäten Arbeitgeber – Arbeitnehmer, Produzent – Konsument, Arbeit – Freizeit sowie Lehrer – Schüler lösen sich auf.

Alles, was die politische Seifenoper vorgeblich erreichen will aber nie erreichen wird, regelt sich durch das verzerrungsfreie Spiel der Kräfte von Angebot und Nachfrage von selbst, sobald durch eine freiwirtschaftliche Geld- und Bodenreform die Marktwirtschaft (Paradies) vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus (Erbsünde) befreit ist:



Stefan Wehmeier, 28.10.2014





Montag, 20. Oktober 2014

Eigennutz und Gemeinnutz



"Wer sein eigenes Interesse verfolgt, befördert das der Gesamtgesellschaft häufig wirkungsvoller, als wenn er wirklich beabsichtigt, es zu fördern. Ich habe nie erlebt, dass viel Gutes von denen erreicht wurde, die vorgaben, für das öffentliche Wohl zu handeln."

Adam Smith ("Wohlstand der Nationen", 1776)

Die Lösung der sozialen Frage war Adam Smith noch unbekannt. Dennoch war er sich bewusst, dass nur das Gewinnstreben des Einzelnen in Kombination mit uneingeschränktem marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu Gerechtigkeit, Frieden und allgemeinem Wohlstand führen kann. Ein Bewusstsein, welches insbesondere den Politikern, die vorgeblich für das öffentliche Wohl handeln, bis auf den heutigen Tag generell abzusprechen ist. Wenn überhaupt, war der ehemalige deutsche Wirtschaftsminister und spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard der einzige Politiker, der jemals marktwirtschaftlich gedacht hat. Alle anderen waren und sind Planwirtschaftler. Das ist insofern verständlich, als dass ein Politiker ja auch nur an sich selber denkt und darum keinen Gedanken darauf verwenden kann, wie durch eine Befreiung der Marktwirtschaft vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus seine eigene Tätigkeit als "Planer, Lenker und Leiter" überflüssig wird.

"Volkswirtschaftliches Denken hat sich von jeher darum gedreht, inwieweit eine ökonomische Ordnung, ein System, dem Wohle der Gesamtheit gerecht wird. Diese grundsätzliche Ausrichtung des Denkens und Forschens ist nicht erst eine Besonderheit der Sozialisten. In diesem Sinne ist die freie Wettbewerbswirtschaft schon bei Adam Smith ein System, in welchem das vom privatwirtschaftlichen Erfolgsstreben gelenkte Handeln der Individuen zum bestmöglichen Einsatz der Produktivkräfte und zugleich zur wohlfeilsten Versorgung des Marktes führt. Obwohl also jeder auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, stellt sich auf höherer Ebene eine natürliche Harmonie zwischen Individuum und Gesellschaft ein - weil nämlich jeder im allgemeinen Wettbewerb mit bester Leistung und wohlfeilstem Angebot dem Markt und der Gesellschaft gegenübertreten muss. Individuelles Gewinnstreben und freier Wettbewerb gewährleisten in ihrem Zusammenwirken die beste und billigste Versorgung der Menschen mit wirtschaftlichen Gütern.
    Diesen Thesen von Adam Smith glaubte man später mit dem Hinweis auf die Absatzkrisen des kapitalistischen Systems den Wahrheitsgehalt absprechen zu können. Hierbei wurde indessen übersehen, dass Adam Smith vom unverfälschten, monopolfreien Wettbewerb ausging. Monopole sind Ausklammerungen vom Wettbewerb. Neben den Ur-Monopolen Boden und Geld gibt es mancherlei künstliche, durch die Rechtsordnung geschaffene Monopole. In jedem Falle ist am Monopol stets der die Gewinnspannen ausgleichende Angriff des freien Wettbewerbs zu Ende. Dies bedeutet eine Grundlagenveränderung und das heißt, dass in der bisherigen Wirtschaftsentwicklung eine echte freie Wettbewerbsordnung im Sinne von Adam Smith überhaupt noch nicht da war. Da Adam Smith im übrigen vielfach als der Theoretiker und geistige Vater des liberalkapitalistischen Systems gilt, wollen wir hier auch noch beachten, dass Smith von den Nutznießern des Produktionsfaktors Kapital erklärte, dass ihre Interessen niemals mit dem Interesse der Gesellschaft zusammenfallen, denn der Gewinnsatz (Kapitalertrag) steige und falle nicht etwa mit dem Gedeihen und dem Verfall der Gesellschaft, sondern er bewege sich umgekehrt, er sei von Natur niedrig in reichen Ländern und er sei hoch in armen Ländern! Dieser Sachverhalt ist außerordentlich beachtenswert, denn hier liegt der Schlüssel zum wirklichen Verständnis der Dinge."

Karl Walker (Überwindung des Kapitalismus, 1945)

Nicht erst seit 1945 hat die universitäre Volkswirtschaftslehre (wenn man sie überhaupt so nennen darf) nicht nur nichts dazugelernt, sondern nur weitere Denkfehler produziert, die im Wesentlichen auf den Totalverlust der Unterscheidungsfähigkeit zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus zurückzuführen sind. Aus der nicht zu bestreitenden Feststellung von Adam Smith, dass der Kapitalertrag in reichen Ländern (relativ) niedrig und in armen Ländern (relativ) hoch ist, geht bereits hervor, dass der marktwirtschaftliche Wettbewerb und der Kapitalismus nicht etwa Synonyme, sondern Gegensätze sind. Noch deutlicher wird dieser Gegensatz anhand der mit dem Untergang der Sowjetunion bereits der breiten Masse dämmernden Erkenntnis, dass bei Ausschaltung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs in einer sozialistischen Planwirtschaft der Kapitalismus nicht etwa überwunden wird, sondern ganz im Gegenteil der Privatkapitalismus in die gesteigerte Form des Staatskapitalismus ausartet und die Freiheit des Individuums völlig unterdrückt wird. Im Umkehrschluss bedeutet das: Freiheit und soziale Gerechtigkeit sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander!  

"Der heutige endlose Widerstreit zwischen Eigennutz und Gemeinnutzen ist eine ganz zwangsläufige Folge des herrschenden Geldstreik- und Bodenmonopols. Eine von diesen beiden Monopolen befreite Wirtschaft entzieht diesem Widerstreit für immer die Grundlage, weil in ihr der Mensch aus Eigennutz stets so handeln wird, wie es das Gemeininteresse erfordert. Die seit Jahrtausenden von Religionsgründern, Religionslehrern, Philosophen, Moralisten usw. aufrecht erhaltene Lehre von der Sündhaftigkeit der menschlichen Natur wegen ihrer Eigennützigkeit findet damit ein für allemal ihr Ende. Es ist keineswegs notwendig, dass wir, diesen Lehren folgend, uns durch Äonen hindurch abmühen, um uns selbst zu überwinden, um eines Tages vielleicht doch noch gemeinnützig zu werden – sondern wir können schon jetzt, heute, in dieser Stunde, die Verbrüderung der bisherigen Widersacher Eigennutz und Gemeinnutz vollziehen. Es ist dazu nicht erforderlich, dass wir den Menschen reformieren, es genügt vielmehr, wenn wir das fehlerhafte Menschenwerk, unser Geldwesen und Bodenrecht, ändern."

Otto Valentin ("Die Lösung der Sozialen Frage", 1952)

Politiker, Priester, Philosophen, Moralverkäufer, Soziologen etc. leben alle von dem bis heute bestehenden Gegensatz zwischen Eigennutz und Gemeinnutzen, der nur eine zwangsläufige Folge des noch immer herrschenden Geldstreik- und Bodenmonopols ist. Diese beiden grundlegenden Monopole werden von der universitären VWL gar nicht als solche erkannt und bewirken seit jeher eine Einschränkung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs, sodass die Besitzenden (Geld-, Sachkapital- und Bodenbesitzer) sich auf Kosten der Mehrarbeit von Besitzlosen (Arbeiter und Angestellte) bereichern können. Von der Masse der Dummen, die daran glaubt, Politiker, Priester, Philosophen, Moralverkäufer, Soziologen und in staatlichen Verdummungsanstalten indoktrinierte "Wirtschaftsexperten" wüssten schon was, wird die aus dem Geldstreik- und Bodenmonopol resultierende Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz als ein "Naturgesetz" angesehen und gar nicht erst hinterfragt. Stattdessen wählt die Masse der Dummen unter den Allerdümmsten (wer das bestreiten will, muss sich nur die dummen Sprüche auf typischen Wahlplakaten ansehen) ihre "Volksvertreter", die nichts anderes können, als unter Beibehaltung des Geldstreik- und Bodenmonopols (von dem die Allerdümmsten noch nie etwas gehört haben) den marktwirtschaftlichen Wettbewerb mit einem sinnlos komplizierten Gesetzesdschungel noch weiter einzuschränken, bis sich am Ende gar nichts mehr bewegt.

Die Masse der Dummen setzt sich aus allen Sparern zusammen, die noch immer nicht wissen, dass mit Geld sparen kein Geld zu verdienen ist (3. Gebot). Eine Ersparnis kann nur als "langfristiger Geldanspruch" in einer monopolfreien Marktwirtschaft auf unbegrenzte Zeit sicher erhalten bleiben. Jede andere Form des Sparens führt früher oder später zu einem teilweisen oder auch vollständigen Verlust der Ersparnis, sei es durch Inflation, Wirtschaftskrise oder Krieg. Schon seit der Erstveröffentlichung von "Die Verwirklichung des Rechtes auf den vollen Arbeitsertrag durch die Geld- und Bodenreform" (Silvio Gesell, 1906) sollte der "Normalbürger" das begriffen haben. Nun ist aber der "Normalbürger" noch immer kein zivilisierter Mensch, sondern ein Kapitalist, d. h. entweder bereits ein Zinsgewinner oder ein Zinsverlierer, der ein Kapitalist werden will (Spießbürger). Was ein zivilisierter Mensch ist, der in allgemeinem Wohlstand, einer sauberen Umwelt und selbstverständlichem Weltfrieden lebt, wird für den "Normalbürger" erst nach dem Erkenntnisprozess der "Auferstehung aus dem geistigen Tod der Religion" überhaupt vorstellbar:

Himmel und Erde = Nachfrage (Geld) und Angebot (Waren)
Garten Eden / Paradies = freie Marktwirtschaft
Früchte tragende Bäume = Gewinn bringende Unternehmungen
Baum des Lebens = Geldkreislauf
Baum der Erkenntnis = Geldverleih
Frucht vom Baum der Erkenntnis = Urzins
Gott (Jahwe) = künstlicher Archetyp: "Investor"
Mann / Adam = Sachkapital / der mit eigenem Sachkapital arbeitende Kulturmensch
Frau / Eva = Finanzkapital / der in Sachkapital investierende Kulturmensch
Tiere auf dem Feld = angestellte Arbeiter ohne eigenes Kapital (Zinsverlierer)
Schlange = Sparsamkeit (die Schlange erspart sich Arme und Beine)
Nachkommen der Schlange = Geldersparnisse
Nachkommen der Frau = neue Sachkapitalien
Kopf der Schlange = Kapitalmarktzins (Sachkapitalrendite)
Erbsünde = Privatkapitalismus (Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz)
Vertreibung aus dem Paradies = Verlust der Unterscheidungsfähigkeit zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus
Cherubim = Denkblockaden
Kain = marktwirtschaftlicher Ackerbau
Abel = marktwirtschaftliche Viehzucht
Sintflut = Hyperinflation

Ein Gleichungssystem mit 21 Unbekannten hat immer nur eine Lösung. Gäbe es keine Lösung bzw. keinen tieferen rationalen Sinngehalt, wäre es nicht die Heilige Schrift, und hätte sie eine andere Bedeutung, wäre es unmöglich, den makroökonomischen Sinngehalt "hineinzuinterpretieren", und das auch noch mit 100%iger Signifikanz. Bedauerlicherweise muss das im 21. Jahrhundert sogar noch denen erklärt werden, die auf anderen Gebieten des logischen Denkens durchaus fähig sind. Auf dem Gebiet der Volkswirtschaftslehre sieht es aber düster aus, nachdem mittlerweile hochgradig Geisteskranke, die nicht als "Merkwürden", sondern bis heute als "Hochwürden" angesehen werden, über Jahrtausende irgendeinen irrationalen Unsinn in die originale Heilige Schrift (die Bibel bis Genesis_11,9) hineindichten konnten.   

"Der Anteil des Unbewussten an unseren Handlungen ist ungeheuer und der Anteil der Vernunft sehr klein."

Gustave Le Bon ("Psychologie der Massen")

Heerscharen von Priestern mussten über Jahrtausende predigen, um das arbeitende Volk "wahnsinnig genug" für die Geldbenutzung (Edelmetallgeld ist immer Zinsgeld) zu machen und dem "Normalbürger" jeden natürlichen Gerechtigkeitssinn mit der Religion (Rückbindung auf den künstlichen Archetyp Jahwe = Investor) auszutreiben, damit "diese Welt" (Zinsgeld-Ökonomie) überhaupt entstehen konnte. Unabhängig von "Glaube" (Cargo-Kult um die Heilige Schrift) oder "Unglaube" (Ignoranz) glaubt darum der "Normalbürger" für seine Sparsamkeit eine Sondervergütung (Urzins bzw. Liquiditätsverzichtsprämie) auf Kosten der Mehrarbeit anderer erpressen zu dürfen – ohne sich bewusst zu machen, dass eine mindestens ausreichende Gegenleistung von der Gesellschaft schon dadurch erbracht wird, wenn sie es dem Sparer ermöglicht, seine Ersparnis auf unbegrenzte Zeit sicher zu erhalten!

Vor der Erfindung des Geldes konnten Ersparnisse nur in Naturalien oder Sachgütern gebildet werden, die dem Verbrauch und dem natürlichen Verschleiß unterliegen. Es konnte auch in Edelmetallen (z. B. Gold) gespart werden, was aber erst dann einen Sinn machte, sobald das Gold von der Gesellschaft als allgemeines Zwischentauschmittel, d. h. als "Geld", angesehen wurde. Bis dahin war das Gold wertlos oder fand bestenfalls eine Anwendung als Goldschmuck. In Gold zu sparen bedeutete nun gleichzeitig eine Erpressung, denn die Sparer entzogen der Volkswirtschaft das für eine entwickelte Arbeitsteilung notwendige Tauschmittel. Für die leihweise Herausgabe des Tauschmittels konnte der Urzins erpresst werden, solange kein besseres Geld zur Verfügung stand:

"Dem Gold verdanken wir die Arbeitsteilung und damit auch die Kulturgüter, denen wir uns erfreuen. Dem Gold aber verdanken wir auch wieder, dass von den geschaffenen Gütern der bei weitem größte Teil, und zwar das Beste, dem Schmarotzertum verfällt. Ist doch das Gold der Vater des Kapitalismus. Dank seinen körperlichen (Edelmetall) und seinen gesetzlichen Vorrechten (gesetzliches Zahlungsmittel) nimmt das Goldgeld eine Ausnahmestellung ein unter den Gütern, deren Austausch auf das Geld angewiesen ist. Das Goldgeld ist darum auch zum allgemeinen Sparmittel geworden, und der Sparer gibt es nicht wieder heraus, es sei denn, dass man ihm einen Zins verspricht. Früh oder spät verfällt aber alles Geld, das der Staat als Tauschmittel in Umlauf setzt, der Kasse irgendeines Sparers, sodass wiederum alles umlaufende Geld aus den Sparkassen kommt, also mit Zins belastet den Markt betritt, um seine Tätigkeit als Tauschmittel zu erfüllen. Diese Doppeltätigkeit des Geldes als Tauschmittel und als Sparmittel ist gegensätzlicher Natur und als Missbrauch des Tauschmittels zu betrachten. Dadurch, dass dem Güteraustausch nur verzinsliches Geld zur Verfügung steht, wird der Zins Vorbedingung der Warenerzeugung überhaupt.
…So kam mit dem Gold und der Arbeitsteilung zugleich der große Friedensstörer, der Zins, auf die Welt. Die Arbeitsteilung an sich verlangt keinen Zins. Wer sollte da auch Zins zahlen und weshalb? Die Arbeitsteilung hätte also den Menschen allgemeinen Wohlstand bringen sollen, da sie ja kein Vorrecht einzelner, sondern allen Menschen zugänglich ist. Aber aus den Händen des Goldes empfing die Menschheit diese Götterkraft nur unter der Bedingung des Zinses, und damit auch der Trennung der Menschen in arm und reich. Als ob neidische Götter der Menschheit den Machtzuwachs nicht gegönnt, die Unabhängigkeitserklärung der Menschen vom göttlichen Gängelband gefürchtet und dem dadurch vorgebeugt hätten, dass sie nach dem Grundsatz "teile und herrsche" den Zins als Spaltpilz in die Menschenfamilie eingepflanzt hätten!"

Silvio Gesell ("Ist der Bürger- und Völkerfrieden vereinbar mit der Goldwährung?", 1916)

Das heutige Papiergeld, das längst ein besseres Geld sein sollte, wurde nie durchdacht, sondern gänzlich unreflektiert dem Goldgeld der Antike lediglich nachgeäfft. In diesem Sinne kann mit voller Berechtigung gesagt werden, dass der heutige "Normalbürger" sich in Bezug auf das Geld noch dümmer verhält als ein primitiver Affe:

"Der Mensch sinkt, wenn er einmal sinkt, immer unter das Tier."

Friedrich Nietzsche

Eine Affenhorde ist zu dumm, um sich eine Bananenplantage anzulegen. Aber eine Horde kapitalistischer Oberaffen hält sich für "intelligent", wenn der mit einer Bananenplantage erzielte Gewinn nicht den Arbeitern zugute kommt, die sich darum kümmern, sondern den Aktionären, die ihre Bananen auf Kosten der Mehrarbeit anderer fressen wollen.

"Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist."

(Lutherbibel 1984 / Genesis_3,22)

Seit er "aus dem Paradies vertrieben" wurde (Bedeutung: siehe oben) will also der Mensch den "großen Investor" spielen. Darum wurde die Natürliche Wirtschaftsordnung (freie, d. h. monopolfreie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus = echte Soziale Marktwirtschaft), in der allgemeiner Wohlstand auf höchstem technologischem Niveau, eine saubere Umwelt und der Weltfrieden selbstverständlich werden,…


…bis heute nicht verwirklicht. Alle, die sich für "sozial" halten, sind Staatskapitalisten und alle, die sich "liberal" glauben, sind Privatkapitalisten. Darin erschöpft sich das ganze Denken (falls man es so nennen darf) der politischen Seifenoper des 21. Jahrhunderts.

Der denkende Mensch muss begreifen, dass in einer "repräsentativen Demokratie" einer noch immer religiös verblendeten Gesellschaft die "hohe Politik" keinen eigenen Willen hat, sondern gänzlich unbewusst lediglich auf Symptome reagiert. Während in der (halbwegs) freien Wirtschaft Beschäftigte sich durchaus schon vor dem Jüngsten Tag aus der religiösen Verblendung befreien können, sind Politiker dazu nicht fähig, weil die "Mutter aller Zivilisationsprobleme" ihre Existenzgrundlage bildet. Politiker wären nicht in der "Position", in der sie sich befinden, könnten sie auch nur ansatzweise in die richtige Richtung denken!

Noch dümmer als die Politiker sind nur noch die Priester, die schon lange nicht mehr wissen, was sie tun, nämlich nichts anderes als das Ausblenden der Erbsünde aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes. Bevor das Wissen zur Verfügung stand, wie die Erbsünde zu überwinden ist, war das auch notwendig, denn anderenfalls hätte sich die halbwegs zivilisierte Menschheit gar nicht erst auf die Geldbenutzung eingelassen oder sie spätestens mit dem Untergang des Römischen Reiches wieder aufgegeben. Für die Zinsgeldbenutzung ist ein ausreichendes Maß an kollektivem Wahnsinn erforderlich, welches nach dem Untergang der Antike von der "heiligen katholischen Kirche" (stellvertretend für alles, was sich heute "christlich" nennt) zur Verfügung gestellt wurde:

Jesus sagte: Selig sind die Armen, denn euer ist das Königreich der Himmel.

(Nag Hammadi Codex II,2,54)

Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.

(Lutherbibel 1984 / Matthäus_5,3)

Gott segnet die, die erkennen, dass sie ihn brauchen, denn ihnen wird das Himmelreich geschenkt.

(Neues Leben Bibel / Matthäus_5,3)

Freuen dürfen sich alle, die nur noch von Gott etwas erwarten – mit Gott werden sie leben in seiner neuen Welt.

(Gute Nachricht Bibel / Matthäus_5,3)

Die Volksverdummung durch die Religion kennt keine Grenzen, wie das obige Beispiel zeigt. Die im Thomas-Evangelium (das erst 1945 als Bestandteil der Nag Hammadi Schriften wiedergefunden und erst 2007 in seiner Bedeutung erkannt wurde) überlieferten Gleichnisse des Propheten Jesus von Nazareth, dessen Erkenntnis die in Genesis_3 umschriebene Erbsünde und damit auch die Religion, die die Erbsünde verbirgt, abschaffen sollte, wurden in der "Bildzeitung der Antike" (den vier biblischen Evangelien) entstellt und verfälscht, sodass der ursprüngliche Sinngehalt ohne Kenntnis der originalen Gleichnisse nicht mehr zu entschlüsseln ist. Nachdem die "heilige katholische Kirche" im vierten Jahrhundert zur römischen Staatsreligion geworden war, wurde gar nicht mehr nach der Erkenntnis gesucht, sondern es wurden im Gegenteil alle originalen Heiligen Schriften des Urchristentums, die noch Wissen (Gnosis) enthielten, verbrannt, und alle Gelehrten, die diese "häretischen" (gotteslästerlichen) Schriften gelesen hatten, wurden ermordet. Die halbwegs zivilisierte Menschheit wurde für weitere 1600 Jahre in der systemischen Ungerechtigkeit der Erbsünde belassen und es entstand, was sich heute "moderne Zivilisation" nennt, in der die Dummen "nur noch von Gott etwas erwarten", aber nichts mehr von sich selbst.

Die Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz spaltet die Gesellschaft – sowohl innerhalb der Nationalstaaten als auch zwischen den Staaten – in wenige Reiche, die immer reicher, und in viele Arme, die immer ärmer werden, bis der nächste Krieg unvermeidlich wird. Darum ist die Geschichte der halbwegs zivilisierten Menschheit nur eine Aneinanderreihung von Wirtschaftskrisen und Kriegen. Alle Zivilisationsprobleme, die sich überhaupt thematisieren lassen, sind auf die "Mutter aller Zivilisationsprobleme" zurückzuführen. Wer aber als religiös Verdummter nicht weiß, was die Erbsünde ist, hält alle ihre zwangsläufigen Auswirkungen für vermeintliche Auswirkungen einer eingebildeten "Sündhaftigkeit des Menschen" und glaubt weiterhin, dass diese durch eine "Moral" zu verbessern sein müsste. Der religiös Verdummte glaubt an einen Sieg des "Guten" über das "Böse" durch Moralpredigten. Was sie genutzt haben, kann z. B. hier und hier und hier nachgelesen werden. Und selbst wenn alle Menschen "gut" wären, würde das an den Verhältnissen nichts ändern, denn es gibt keine Moral, die Intelligenz ersetzen kann (1. Gebot). Also nehmen wir stattdessen an, es wären alle Menschen intelligent; wo wären wir dann heute?

"Wir wären weit, weit über den Kapitalismus hinaus (Kapitalismus = wirtschaftlicher Zustand, in dem die Nachfrage nach Geld und Realkapitalien das Angebot übertrifft und darum den Zins bedingt), wenn seit 3000 Jahren durch die Wirtschaftskrisen die Kultur nicht immer wieder die mühsam erklommenen Stufen heruntergestoßen worden wäre; wenn die bettelhafte Armut, in der jede Krise die Volksmassen hinterlässt, nicht die Bettlergesinnung großgezogen hätte, die nun einmal den Menschen, groß und klein, in den Knochen liegt. … Die Plage des Hungers und der Druck der Schulden sind böse Erzieher. …Und wo wären wir heute in wissenschaftlicher, technischer, … Beziehung angelangt, wenn die vielversprechende Kultur, die das Gold, obschon blutbefleckt, geraubt und erpresst, in Rom erstehen ließ, nicht unter einer anderthalbtausendjährigen, durch Geldmangel erzeugten ökonomischen Eiszeit erstarrt, vergletschert, vernichtet worden wäre? Sicherlich säßen wir jetzt auf dem Throne Gottes und ließen das All im Kreis an unserem Finger laufen."

Silvio Gesell (aus "Die neue Lehre vom Geld und Zins", 1911)

Beide Weltkriege hätten nicht stattfinden müssen – wenn die Religion die halbwegs zivilisierte Menschheit nicht so weit verdummt hätte, dass sie noch immer glaubt, Zinsen müssten wohl auf "Apfelbäumchen" wachsen und nicht durch die Mehrarbeit anderer! Zwar wusste Silvio Gesell nicht, dass die Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz die in Genesis_3 exakt umschriebene Erbsünde ist, aber er war so intelligent, zu dem gleichen Ergebnis zu kommen wie Jesus von Nazareth, auch ohne den Erkenntnisprozess der Auferstehung durchlaufen zu haben! Einige Wenige konnten die freie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus ebenfalls verstehen, aber der religiös verblendeten Mehrheit blieb der eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation bis heute absolut unverständlich.

Dabei lässt sich generell sagen: Je höher die "gesellschaftliche Position" in "dieser Welt" (zivilisatorisches Mittelalter), desto geringer ist in der Regel das Begriffsvermögen des jeweiligen Patienten gegenüber der Natürlichen Wirtschaftsordnung, die – nach Gesell – "ja doch nur aus einer Reihe banalster Selbstverständlichkeiten besteht." Und damit kommen wir zur wirklichen Bedeutung des Logions 54 im Thomas-Evangelium: Die Armen (Zinsverlierer) in einer kapitalistischen Marktwirtschaft sind eher in der Lage, die vom Kapitalismus befreite Marktwirtschaft zu verstehen, als die "Reichen und Mächtigen" (Zinsgewinner), die auf ihre Kosten existieren. Jetzt wird auch verständlich, was es bedeutet, "die Ersten werden die Letzten sein": Die heute "Ersten", die – unabhängig von "Glaube" oder "Unglaube" – am meisten von der Religion verdummt wurden, werden als letzte begreifen, was Zivilisation bedeutet.

Die echte Soziale Marktwirtschaft (Natürliche Wirtschaftsordnung) wurde bis heute nicht verwirklicht, weil der Kulturmensch im Verlauf seiner bisherigen Geschichte zu einem notorischen Ausbeuter mutierte, der sich nicht vorstellen kann, mit eigener Arbeit genug Geld zu verdienen. "Genug Geld" heißt, damit alle Lebensträume verwirklichen zu können. Stattdessen klammert sich der "Normalbürger" an die Hoffnung, auf Kosten der Mehrarbeit anderer reich zu werden. In einigen Fällen scheint das zu funktionieren, also versuchen es alle. Die zwangsläufigen Folgen sind Massenarmut, Umweltzerstörung und Krieg sowie die faktische Unmöglichkeit, mit eigener Arbeit genug Geld zu verdienen.

Voraussetzung einer jeden Ausbeutung ist die Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit, des Rechtes auf Beteiligung am Wettbewerb. Nur wenn der Wettbewerb frei ist, wird gegenseitige Ausbeutung unmöglich. Weil der "Normalbürger" aber ein notorischer Ausbeuter ist, versucht er ständig, den Wettbewerb einzuschränken. Jeder will eine Monopolstellung erreichen und andere vom Wettbewerb ausschließen. Am gründlichsten gelingt dies, wenn der Wettbewerb ganz abgeschafft und die marktwirtschaftliche Selbstregulation von Nachfrage und Angebot durch "Bedarf" und "Bedarfsdeckung" in einer sozialistischen Planwirtschaft ersetzt wird. Eine Clique von Staatskapitalisten, die "Planer, Lenker und Leiter" spielen, hat dann ein vollständiges Monopol an allen Sachkapitalien (Produktionsmitteln) und kann die arbeitende Bevölkerung grenzenlos ausbeuten:


In einer sozialistischen Planwirtschaft wird der arbeitende Mensch vom Wirtschaftssubjekt zum Wirtschaftsobjekt degradiert und verliert damit jegliche Würde. Spätestens mit dem Untergang der Sowjetunion wurde das eingesehen. Dennoch hat die marxistische Ersatzreligion verheerende Nachwirkungen hinterlassen. Bis heute besteht der Aberglaube, der marxistische Sozialismus könne irgendetwas anderes sein als Staatskapitalismus, und die "unsoziale" Marktwirtschaft müsse "staatlich kontrolliert und geregelt" werden, um sie "sozial verträglich" zu machen. Wäre diese hoffnungslos naive, aber von der Mehrheit noch immer geglaubte Vorstellung von "sozialer Marktwirtschaft" richtig, müssten wir zugeben, dass das Mosaische Gesetz der Juden vor drei Jahrtausenden schon weiter entwickelt war als die heutige "moderne Sozialgesetzgebung":


Die alten Israeliten wären niemals auf den völlig absurden Gedanken gekommen, die Marktwirtschaft könne "unsozial" sein. Denn es ist die Einschränkung des Wettbewerbs, die die gegenseitige Ausbeutung bewirkt; und diese Einschränkung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs ist der Privatkapitalismus, der schon vor über 3200 Jahren als die "Mutter aller Zivilisationsprobleme" erkannt wurde! Etwa bis zum 6. vorchristlichen Jahrhundert war der israelitischen Priesterschaft die wirkliche Bedeutung der bis heute in Genesis_3 mit genialen archetypischen Bildern und Metaphern exakt umschriebenen Erbsünde noch bekannt. Danach verfielen auch die jüdischen Hohepriester selbst dem "geistigen Tod der Religion", der darin besteht, die oben aufgeführten Metaphern auf der linken Seite mit irgendetwas anderem als ihrer wirklichen Bedeutung auf der rechten Seite in Verbindung zu bringen. In welchem Ausmaß der "Normalbürger" des 21. Jahrhunderts religiös und somit dem noch immer gegenwärtigen, privatkapitalistischen System untertänig ist, ist also nicht nur daran zu erkennen, dass viele noch immer ihre wöchentliche Dosis "Opium fürs Volk" bei ihrem örtlichen Dealer, einem so genannten "Geistlichen" (mittlerweile hochgradig Geisteskranken), nachfragen; um die Basis allen menschlichen Zusammenlebens (Makroökonomie) und die grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung (Geld) NICHT zu verstehen, reicht es schon aus, wenn in den Massenmedien mal wieder von "sintflutartigen Regenfällen" oder "paradiesischen Zuständen" gesprochen wird und damit die von der Religion "verborgenen Dinge" weiterhin im Verborgenen bleiben.

(NHC II,2,108) Jesus sagte: Wer von meinem Mund trinken wird, wird werden wie ich; ich selbst werde er werden, und die verborgenen Dinge werden sich ihm offenbaren.

"Euer Merkwürden" hält Jesus von Nazareth für einen Idioten (im ursprünglichen Wortsinn verstanden) wie sich selbst, aber das war er selbstverständlich nicht: Wahre Nächstenliebe ist nicht "Solidarität", sondern im Gegenteil vollkommene marktwirtschaftliche Konkurrenz! Ein typisches Beispiel für Solidarität ist ein Kartell. Die Mitglieder des Kartells schließen die gegenseitige Konkurrenz aus und verhalten sich untereinander solidarisch, um gemeinsam überhöhte Verkaufspreise zu erpressen. Darum gibt es Kartellgesetze, die solche Machenschaften verbieten sollen – aber nicht verhindern können, solange das elementare Geldstreik- und Bodenmonopol immer größere und mächtigere Konzerne hervorbringt, die mittelständische Unternehmen entweder in den Ruin treiben oder einfach aufkaufen.

Tatsächlich war der Prophet Jesus von Nazareth der erste Denker in der bekannten Geschichte, der nach einem halben Jahrtausend in totaler geistiger Umnachtung nicht nur die wirkliche Bedeutung der Erbsünde wieder erkannte (Auferstehung),…

(NHC II,3,21) Diejenigen, die sagen: "Der Herr ist zuerst gestorben und dann auferstanden", sind im Irrtum. Denn er ist zuerst auferstanden und dann gestorben. Wenn jemand nicht zuerst die Auferstehung erwirbt, wird er sterben.

…sondern auch die einzige Lösung (Erlösung) zu ihrer Überwindung beschrieb:

(NHC II,2,1) Wer die Erklärung dieser Worte findet, wird den Tod nicht schmecken.

(NHC II,2,44) Wer den Vater lästern wird, dem wird man vergeben; wer den Sohn lästern wird, dem wird man vergeben; wer aber den heiligen Geist lästern wird, dem wird man nicht vergeben, weder auf der Erde noch im Himmel.

(NHC II,2,55) Wer nicht seinen Vater hasst und seine Mutter, wird mir nicht Jünger sein können. Und wer seine Brüder nicht hasst und seine Schwestern und nicht sein Kreuz trägt wie ich, wird meiner nicht würdig sein.

(NHC II,2,105) Wer den Vater und die Mutter kennen wird, er wird Sohn der Hure genannt werden.

(NHC II,2,106) Wenn ihr die zwei zu einem macht, werdet ihr Söhne des Menschen werden. Und wenn ihr sagt: "Berg, hebe dich hinweg!", wird er verschwinden.

Mutter = Summe aller Ersparnisse
Hure = Finanzkapital
Brüder und Schwestern = Sachkapitalien
Berg = Rentabilitätshürde
Tod = Liquiditätsfalle
Vater (der Kultur) = Kreditangebot
Sohn = Kreditnachfrage
heiliger Geist = umlaufgesichertes Geld (heilig = gesichert; Geist = Geldumlauf)

(NHC II,2,113) Seine Jünger sagten zu ihm: "Das Königreich, an welchem Tag wird es kommen?" Jesus sagte: "Es wird nicht kommen, wenn man Ausschau nach ihm hält. Man wird nicht sagen: "Siehe hier oder siehe dort", sondern das Königreich des Vaters ist ausgebreitet über die Erde, und die Menschen sehen es nicht." ***

Königreich des Vaters = Natürliche Wirtschaftsordnung                                   

*** (Silvio Gesell, Vorwort zur 3. Auflage der NWO, 1918) "Die Wirtschaftsordnung, von der hier die Rede ist, kann nur insofern eine natürliche genannt werden, da sie der Natur des Menschen angepasst ist. Es handelt sich also nicht um eine Ordnung, die sich etwa von selbst, als Naturprodukt einstellt. Eine solche Ordnung gibt es überhaupt nicht, denn immer ist die Ordnung, die wir uns geben, eine Tat, und zwar eine bewusste und gewollte Tat."

Die Natürliche Wirtschaftsordnung ist einfach zu verstehen und es gibt niemanden, der sie bewusst ablehnt. Ihr einziger Gegner ist der künstliche Archetyp Jahwe = Investor im kollektiv Unbewussten, der vor Urzeiten erfunden wurde, um die halbwegs zivilisierte Menschheit an ein darum bis heute fehlerhaftes Geld (Zinsgeld mit parasitärer – der wesentlichen Tauschfunktion widersprechenden – Wertaufbewahrungsfunktion) anzupassen, solange noch niemand über das Wissen verfügte, das Geld an den Menschen anzupassen.

In technischer Hinsicht ist das heute relativ einfach, und auch in psychologischer Hinsicht ist es einfach: Ist Jahwe = Investor (was sich aus Genesis_3,22 ergibt), ist das "Reich Gottes" der eigentliche zivilisatorische Normalzustand der Vollinvestition, in dem Geldersparnisse nicht mehr zurückgehalten werden können, um den Urzins zu erpressen, somit das Rentabilitätsprinzip aufgehoben ist und das volkswirtschaftliche Kreditangebot für neue Investitionen stets der Summe der Ersparnisse entspricht (siehe: NHC II,2,106).

Ist die Rentabilität ("Berg") der Wirtschaftlichkeit vorgeordnet, bleiben die Sachkapitalien und damit auch die bezahlbaren Arbeitsplätze strukturell knapp. Es ergibt sich zwangsläufig ein Heer von Arbeitslosen (die "Vielzuvielen" nach Nietzsche), die wiederum den Arbeitslohn aller noch sinnvoll Beschäftigten niedrig halten und damit gleichzeitig den Kapitalertrag ("Frucht vom Baum der Erkenntnis") der Besitzenden sichern:

"Man sagt, dass ganze Erdteile, die heute von Millionen Menschen bewohnt sind, in prähistorischen Zeiten unter Wasser gestanden hätten. Auch der Kapitalzins setzt große Gebiete der Volkswirtschaft gleichsam unter Wasser. Ihre Nutzbarmachung und Bearbeitung wird durch 4 bis 5 Prozent Zins ebenso unmöglich gemacht, als wenn ein Landgebiet von einem 4 bis 5 Meter hohen Wasserstand bedeckt ist. Was muss z. B. heute alles unterbleiben, weil es sich nicht "rentiert" und was könnte morgen alles in Angriff genommen werden, wenn es sich nicht zu rentieren, sondern nur die Kosten, nur die Löhne zu decken brauchte!"

Georg Blumenthal (aus "Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft", 1916)

Nach der Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft durch die freiwirtschaftliche Geld- und Bodenreform kehren sich die Verhältnisse um. Jetzt sind nicht mehr die Sachkapitalien knapp, sondern die menschliche Arbeitskraft wird zur ökonomisch knappsten Ressource:

"Wie erstaunlich schnell der Mensch, und vorzüglich die Frau, die Servilität, die Sklavenketten abzulegen weiß, sobald die ökonomischen Verhältnisse es gestatten, erkennt man am besten an den Dienstmädchen. Mit jedem Punkt, den das Angebot der Nachfrage gegenüber auf dem "Gesindemarkt" verliert, wächst auch die Selbstachtung, die Würde der Mädchen, steigt auch die Achtung der Hausfrau vor dem Mädchen. Schritt haltend mit dem Lohn ist auch die Behandlung besser geworden. Der Mensch wird eben in seinem Tun und Denken von äußeren Verhältnissen bestimmt; er achtet eine Sache gering, die er haufenweise auf der Straße findet, selbst wenn es sich um einen Menschen handelt. Wird jedoch der Mensch selten, muss man lange suchen, um eine oft wirklich unentbehrliche Hilfe fürs Haus zu finden, so schätzt und ehrt man diese Hilfe. Die Größe der Achtung, die man einem Menschen zollt, wird wie der Preis der Ware durch Nachfrage und Angebot bestimmt."

Silvio Gesell (aus "Die Verwirklichung des Rechtes auf den vollen Arbeitsertrag durch die Geld- und Bodenreform", 1906)

Nicht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das nur leere Versprechungen enthält, die ohne Marktgerechtigkeit gar nicht einzuhalten sind und die faktisch auch immer weniger eingehalten werden, sondern in der Magna Charta der Sozialen Marktwirtschaft (die "Mutti" Merkel nie gelesen hat) steht die einzige Voraussetzung der Menschenrechte:


In einer vom Geldstreik- und Bodenmonopol befreiten Marktwirtschaft ist die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft, unabhängig vom Stand der Technologie, stets größer als das Angebot und damit der arbeitende Mensch das, was er sein soll: das Allerwertvollste!


Stefan Wehmeier, 20.10.2014


Montag, 13. Oktober 2014

Überwindung des Kapitalismus



"Die Überwindung des Kapitalismus unter Beibehaltung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs" wurde ursprünglich für Marxisten (Staatskapitalisten) geschrieben, was den für denkende Menschen unlogischen Titel erklärt. Ein selbständig denkender Mensch weiß, dass nur die Entfesselung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs den Kapitalismus überwindet, während ein marxistischer Sozialist das Denken lieber dem Politbüro überlässt. Für alle, die weniger an Staatskapitalismus und mehr an sozialer Gerechtigkeit interessiert sind, sollte es jedoch nie zu spät sein, mit dem selbständigen Denken anzufangen:

Was ist "Kapitalismus"?

Unser Thema scheint auf den ersten Blick für jeden Sozialisten einen Widerspruch in sich darzustellen. Kaum irgend etwas ist nämlich für einen Sozialisten so selbstverständlich und unanfechtbar wie dies, dass der "Kapitalismus" die "anarchische Produktionsweise" aus ungehemmtem Profitstreben auf der Basis des privaten Eigentums sei - also doch wohl mit dem Konkurrenzkampf stehen und fallen müsse. Wie also eine Überwindung des Kapitalismus unter Beibehaltung des Konkurrenzkampfes möglich sein soll, das muss einem an Karl Marx orientierten Leser von vornherein schon in der Problemstellung so undenkbar erscheinen, wie etwa die Quadratur des Kreises.

Aus diesen Gründen werden wir uns zunächst einmal mit einigen Begriffsbestimmungen befassen müssen, die den augenscheinlichen Widerspruch wenigstens soweit auflösen, dass ein methodisch denkender Leser den weiteren Darlegungen zu folgen vermag.

Die wichtigste Klarstellung dieser Art betrifft die Klarstellung des Begriffs "Kapitalismus". Es versteht sich wohl von selbst, dass uns mit dem vulgärökonomischen Begriff, wie er, schwammig und nichts sagend, landauf und landab täglich millionenfach benutzt wird, nicht gedient ist. Wir müssen, wenn wir uns über eine Sache verständigen wollen, ganz exakte Vorstellungen haben, d. h. es muss jeder beim Anhören der Bezeichnung den gleichen Begriff haben, den derjenige meint, der die Bezeichnung setzt. Wenn nun aber, wie in unserem Falle, eine Bezeichnung offensichtlich bereits vielerlei Vorstellungen zum Inhalt hat, muss man sich wenigstens für die Untersuchung, mit der man sich eben abgibt, auf eine ganz bestimmte aber ausschließlich geltende Definition einigen. Es hätte keinen Sinn, vor der Diskussion darüber zu streiten, welche Definition die richtige ist - das lässt sich überhaupt erst voll beurteilen, wenn wir in der Diskussion "auf Grund" gekommen sind. Noch weniger angebracht ist es natürlich, von vornherein auf einer populären Definition zu beharren, die nach der Auffassung eines Autors, der etwas Spezielles erklären will, für diese Erklärung unbrauchbar ist. Dies vorausgeschickt wollen wir jetzt die Definition des Begriffes "Kapitalismus" festlegen:

Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das primär auf die Erzielung von Kapital-Ertrag ausgerichtet ist.

Um die Logik dieser Definition noch etwas zu unterstreichen, dürfen wir wohl darauf hinweisen, dass eine jede Bezeichnung umso klarer und unmissverständlicher ist, je genauer sie das Charakteristikum der Sache trifft. Also, wenn wir von Kapitalismus reden, wollen wir doch zum Ausdruck bringen, was diesem System im Gegensatz zu anderen denkbaren Systemen das Wesentliche ist. Wesentlich ist aber diesem System nur der Kapital-Ertrag, nichts anderes. Ohne hier schon in eine kritische Betrachtung des Marxismus eintreten zu wollen, würde bei dieser Definition bereits zu beachten sein, dass der bei Karl Marx am häufigsten vorkommende Begriff "Profit" nicht mit dem Begriff Kapital-Ertrag identisch ist, sondern in Bausch und Bogen, ohne Unterscheidungen Unternehmerlohn, Risiko-Ausgleich, Gewinn und Kapitalzins zusammenfasst. Dieser ressentimentgeladene Begriff "Profit" stellt also ein Konglomerat von verschiedenen Begriffen dar und ist für eine exakte Klärung der Dinge, wie wir noch sehen werden, einfach unbrauchbar.

Wenn wir uns über das Wesen des Kapitalismus zuverlässig informieren wollen, tun wir im Grunde genommen besser daran, unsere Kenntnis gleich aus der richtigen Küche, nämlich aus der kapitalistischen Betriebswirtschaftslehre zu holen - und das "Kapital" von Karl Marx in der Bücherkiste zu lassen. Sofern nämlich die Theorien von Karl Marx richtig wären, müssten sie ja in der kapitalistischen betriebswirtschaftlichen Erfolgsrechnung ihre Bestätigung finden; sofern sie aber hier keine Bestätigung finden, dürfte es klar sein, dass die Theorie an der Wirklichkeit vorbeigegangen ist. Die Richtigkeit des Sachverhalts kann ja nur durch die nachweisbare Wirklichkeit dargetan werden und es kann wohl unbesehen angenommen werden, dass die Kapitalisten, die nach ihrem System praktisch arbeiten, in ihrer betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Erfolgsrechnung viel besser wissen, worauf es ihnen ankommt, als der abseits jeglicher Praxis stehende revolutionäre Theoretiker, der alle Dinge überdies durch die Brille seines Grolls sieht.

Rein äußerlich zeigt die kapitalistische Wirtschaftsordnung das Bild einer arbeitsteiligen Marktwirtschaft. Selbständige Unternehmer unterschiedlicher Größe produzieren die Ware für den Verkauf auf dem Markt. Die Produktionsmittel stehen im Eigentum der Unternehmer oder der Kapitalisten, was nicht immer dasselbe ist. Die Arbeiterschaft leistet Lohnarbeit und erhält mit ihrem Lohn in der Geldrechnung ausgedrückt einen Anteil vom Sozialprodukt, d. h. vom realen Ergebnis der Gesamtproduktion. Das ganze System wird von der privaten Initiative der Unternehmer gesteuert, hat aber im System der freien Marktwirtschaft ihr Korrelat, ihre ergänzende Entsprechung, in der ebenfalls aus privater Initiative hervorgehenden freien Entscheidung der Konsumenten.

Nun gehört es bekanntlich zu den nachdrücklichsten Forderungen aller Sozialisten, dass die Produktion sich am Bedarf orientieren sollte. Doch abgesehen davon, dass der "Bedarf" nicht mit der "Nachfrage" identisch ist und als solcher auch eine Größe darstellt, die gar keine Grenzen erkennen lässt, könnte man sich über diese Frage auf einer mittleren Linie einigen, etwa bei der Forderung, dass die Produktion jenen Bedarf decken sollte, den die Konsumenten damit bekunden, dass sie den Gegenwert dafür auf den Tisch legen. In diesem Falle würde also derjenige Bedarf befriedigt, der in der Gestalt klingender und knisternder Nachfrage auf dem Markt sich meldet; und da die Zahlung schließlich eine Legitimation dafür ist, dass der Käufer irgendwo im Wirtschaftsprozess einen Anspruch an das Sozialprodukt erworben hat oder dass ihm von einem anderen Berechtigten ein solcher Anspruch abgetreten wurde, ist damit zugleich eine Gewähr dafür gegeben, dass die Entnahmen vom Markt nicht größer werden als die Zufuhr. Dieser Grundsatz ist einfach durch die Realität der Umstände bedingt. Die Forderung einer gegenleistungslosen Bedarfsdeckung oder unbezahlten Güter-Entnahme und -Zuteilung wurzelt dagegen im utopischen Sozialismus; die reale Wirklichkeit lässt nichts anderes zu, als dass jede gegenleistungslose Bedarfsdeckung, wie sie etwa aus humanitären Gründen in der Sozialfürsorge geübt wird, nur aus der Übertragung von Einkommensteilen, die einem anderen zustanden, erfolgen kann.

Die Steuerung der Produktions-Initiative durch das Korrelat der "Nachfrage" steht somit an sich nicht im Widerspruch zu dem vernünftigen Grundsatz, die Produktion auf das Zweckmäßige und von den Konsumenten Gewünschte und Benötigte auszurichten. Die Privat-Initiative des liberal-kapitalistischen Unternehmers sperrt sich keinesfalls gegen die solcherart vom Markt geäußerten Wünsche, sondern sie ist im Wettbewerb mit anderen Unternehmern geradezu darauf bedacht, den Konsumenten die Wünsche von den Augen abzulesen, in Qualität und Quantität stets das Bestmögliche zu bieten, um der Nachfrage gerecht zu werden. Insofern ist also die freie Marktwirtschaft, was ihre Gesamtleistung und die Geschmeidigkeit der Anpassung privatwirtschaftlicher Produktion an die Nachfrage der Käufer anbelangt, vollkommen in Ordnung und wir würden nur Plattheiten kolportieren, wenn wir hierzu noch die Unterschiede zwischen der freien Marktwirtschaft des Westens und der Planwirtschaft des Ostens im einzelnen mit Statistiken belegen wollten.

Dennoch ist an diesem kapitalistischen System - vom Standpunkt der Notwendigkeit der Bedarfsdeckung aus gesehen - etwas nicht in Ordnung. So ist unbestritten klar, dass auf vielen Gebieten noch ein riesiger Bedarf vorliegt, ohne dass die Privat-Initiative in dem volkswirtschaftlich richtigen Sinne reagiert. Dabei dürfen wir aber dessen gewiss sein, dass die Unternehmer den vorliegenden Bedarf mit höchster Wachsamkeit im Auge behalten und dass ihr privatwirtschaftliches Interesse und ihr Erfolgsstreben durchaus darauf ausgerichtet ist, sich dieser Produktion anzunehmen. Die Bauunternehmer werden sich nie weigern, Wohnungen zu bauen! - Dass dennoch nicht genügend geschieht, um der Bedarfsdeckung gerecht zu werden, ist dadurch bedingt, dass die Auftragserteilung fehlt. Dem Unternehmer- und dem Auftraggeber-Interesse ist die Elementarbedingung des kapitalistischen Systems, die wir eingangs mit dem Anspruch auf Kapital-Ertrag definiert haben, gewissermaßen "vorgeschaltet". Damit ist der volkswirtschaftlich richtige Ablauf - z. B. verstärkte Bautätigkeit – blockiert.

Wenn wir uns diesen Sachverhalt richtig klar machen, zeigt sich ganz deutlich, dass wir mit den Begriffen von Karl Marx nicht mehr auskommen. Marx spricht einfach abschätzig von "Profitstreben" der Kapitalisten. Kapitalist und Unternehmer sind bei ihm ohne weiteres miteinander identisch, was in Wirklichkeit in zunehmendem Maße seltener wird und in den Grundsätzen moderner kapitalistischer Betriebsführung überhaupt nicht der Fall ist.

Kapitalist und Unternehmer

Das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung setzt den Unternehmer nicht mit dem Kapitalisten gleich. Es kann zwar möglich sein, dass in einem Betrieb Kapitalist und Unternehmer in einer Person vereinigt sind; aber in zahllosen Fällen ist es nicht so oder doch nur anteilmäßig. Dessen ungeachtet wird aber in jedem kapitalistischen Betrieb so gerechnet, als ob der Kapitalist und der Unternehmer zwei verschiedene Personen seien, von denen der eine den Kapital-Ertrag und der andere den Unternehmerlohn und -gewinn zu beanspruchen habe. Die Ansprüche des Kapitalisten haben jedoch in diesem System ausnahmslos den Vorrang. Es ist erster Zweck, den Kapital-Ertrag zu erbringen. Von daher gebührt dem System, wie schon angedeutet, die Bezeichnung "Kapitalismus". Der Bedarfsdeckung zu dienen, Arbeitern und Unternehmern Einkünfte zu bringen, das ist in jedem Fall von nachgeordneter Bedeutung - auch der Unternehmer ist dem Kapitalisten nachgeordnet! Es ist nicht nur so, dass es "vorkommen kann", sondern es ist ein häufig genug auftretender Fall, dass der Unternehmer mit Verlust abschneidet, während der Kapitalist die volle Befriedigung seiner Ansprüche erhält. Bei Unternehmungen, in denen Kapitalist und Unternehmer in eine Person zusammenfallen, spielt sich dieser Vorgang natürlich nur in der innerbetrieblichen Gewinn- und Verlust-Rechnung ab - und der Unternehmer hält sich am Kapitalisten schadlos. Dann sagt sich der Unternehmer: "Hätte ich doch nur mein Geld einfach auf Zinsen angelegt, dann hätte ich ein ruhiges Leben gehabt, kein Risiko mit den Kunden, keine Sorgen mit den Arbeitern und keinen Ärger mit dem Finanzamt - und dabei hätte ich noch besser verdient als mit diesem Betrieb!" Noch schlimmer sieht es aus, wenn der Kapitalist ein anderer ist und seinen Anteil für sich fordert, ohne Rücksicht auf den Unternehmer und dessen Erwartungen am Produktionsertrag.

Diese strenge Ordnung der kapitalistischen Einkommensverteilung ist wichtig genug, um sie am Exempel noch genauer zu verfolgen: Wir nehmen Einblick in den Betrieb eines Unternehmers, der eine neue Produktion aufgenommen hat, von der er glaubte, dass der Markt Interesse dafür hat; - sehr vorsichtige Unternehmer orientieren sich vorher durch Marktforschung über Bedarf und Absatz-Chancen.

Die Ingangsetzung der Produktion erfordert Produktionsmittel, Gebäude, Maschinen, Rohstoffe, Geld für Lohnzahlungen usw. Viele Unternehmer verfügen nicht selbst über die Mittel, die sie für ihre Produktion benötigen; sie nehmen also in solchen Fällen Geld auf. Unser ganzes Kreditsystem mit Banken und Sparkassen und Börsen ist ja doch nichts anderes als ein solcher Apparat, der Kapital sammelt und es diesen Kredit suchenden Unternehmern leiht.

Die Eröffnungsbilanz unseres Unternehmers beginnt nun mit dem Einsatz des Eigenkapitals, das er selber hat, und mit dem Einsatz des Fremdkapitals, das er als Kredit erhalten hat - und beides bucht er unter die "Passiva", unter die Schulden, denn der Betrieb ist nun etwas Selbständiges und schuldet als Betrieb nicht nur dem Fremden den Betrag des aufgenommenen Kapitals, sondern auch dem eigenen Unternehmer den Anteil von Kapital, den dieser aus eigenem Vermögen selber beigesteuert hat.

In logischem Fortschreiten auf dieser Linie exakter kapitalistischer Rechnungsführung werden nun in der Kalkulation des projektierten Artikels die Kapitalkosten für das fremde und für das eigene Kapital als elementare Gestehungskosten neben Rohstoffen, Löhnen, Gehältern, Steuern, Werbekosten und Gewinn-Rate eingesetzt.

Jede Kosten-Kategorie auf der Produktions-Seite ist das genaue Spiegelbild einer in Geldwert ausgedrückten Einkommensquote vom Erlös des Produktes. So ist in den Rohstoffkosten etwa die Grundrente der Grubenbesitzer, in den Löhnen und Gehältern das Arbeitseinkommen der Arbeiter, Werkmeister und Büroangestellten, in den Steuern das Einkommen der Staatsbeamten und in den Vertriebskosten das Gehalt des Postschaffners und des Bahnpersonals enthalten, um wenigstens einige dieser Positionen anzuführen. In letzter endgültiger Aufgliederung verteilt sich das gesamte Sozialprodukt schließlich restlos auf die so genannten "Produktions-Faktoren" Boden, Kapital und Arbeit.

Die wichtigste Position in unserem kapitalistischen Betrieb ist die Position "Kapitaldienst", die die Verzinsung und den Verschleiß des der Produktion zur Verfügung gestellten Kapitals umfasst. Hierbei stellt die Verzinsung den erwähnten Kapitalertrag dar, dessen Erzielung Vorbedingung aller kapitalistischen Produktion ist, während der Verschleiß in den "Amortisationen" oder "Abschreibungen" als laufende Tilgungs- oder Rückzahlungsrate erscheint. Diese Amortisationen werden selbstverständlich vom Fremdkapital und vom Eigenkapital berechnet. Der Unternehmer rechnet also etwa, dass der Verschleiß einer Maschine in 10 Jahren eine Neu-Anschaffung erfordert; folglich belastet er die Produktion mit jährlich 10% Amortisation, damit das Geld, das die Maschine kosten wird, in 10 Jahren wieder da ist. Diese Rechnung ist an sich natürlich in Ordnung und lässt sich praktisch in keiner andersartigen Wirtschaftsordnung vermeiden.

Neben der Amortisation, die die Wiederbeschaffung des Kapitals sichert, läuft nun aber noch die Kapitalverzinsung. Dieser Posten erhält sein Gewicht danach, ob die Produktion mehr oder weniger kapitalintensiv ist und ob der Landeszinsfuß hoch oder niedrig ist, was ganz von den Kapitalmarktverhältnissen abhängt. Wesentlich ist jedoch, dass die Kapitalhergabe normalerweise nur zu festen Zinssätzen erfolgt und selbst bei Beteiligungen am Unternehmer-Risiko, wie beispielsweise beim Kauf von Aktien, doch immer noch ein Mindest-Ertrag in Höhe des durchschnittlichen Landeszinsfußes erwartet wird.

Aus diesen hier nur kurz skizzierten Gründen und aus der wohl kaum strittigen Vorrangstellung des Kapitals heraus werden nun in der kapitalistischen Betriebsführung die Produktionskosten des Zinsendienstes und der Amortisation unter die so genannten "fixen Kosten" gerechnet. Die "fixen Kosten" sind bei jedem kapitalistischen Betrieb diejenigen Kosten, die unter allen Umständen feststehen, die also aufgebracht werden müssen, gleichgültig, ob und wie das Unternehmen floriert. Schon wieder stehen wir also an dem Punkt, an dem der Kapital-Ertrag vor den Löhnen und vor dem Unternehmergewinn kommt.

Selbstverständlich gehören bei einem größeren Industriebetrieb auch noch einige andere Positionen, gewisse Mindestaufwendungen an Personal, Verwaltung, Versicherungen usw. zu den "fixen Kosten". Aber die entscheidende Position bleibt der Kapitaldienst, wenn auch dieser Kostenfaktor nicht in allen Wirtschaftszweigen das gleiche Gewicht hat. Ein Schneidermeister, der mit dem Produktionsmittel Nähmaschine arbeitet und im übrigen nur die fixen Kosten des Mietzinses für seine Geschäftsräume aufzubringen hat, ist etwas anderes als eine Buchdruckerei, oder eine Strumpffabrik oder ein Elektrizitätswerk - bei welch letzterem z. B. die "fixen Kosten" 95% des Strompreises ausmachen, während der Kohleverbrauch und die gesamten Personalkosten für die Stromerzeugung und Verteilung nur 5% des Strompreises betragen. - Eine hochtechnisierte Produktionsstätte kann also fast vollständig im Dienste einer Kapitalgruppe stehen, ohne dass ein im üblichen Sinne privater Unternehmer da ist, der den Anschein erweckt, der Ausbeuter zu sein. Hier läuft der Kapital-Ertrag - bestimmt von der Zinshöhe - einfach über die Produktionskosten Anleihezinsen, und das System funktioniert auch unter sozialisierter kommunaler Betriebsführung immer noch kapitalistisch.

Die übrigen Produktionskosten rangieren in der betriebswirtschaftlichen Kalkulation als variable, bewegliche Kosten. Rohstoffe, Löhne, Gehälter, Steuern, Werbeaufwand und Unternehmergewinn sind alles durchaus veränderliche Größen; und so hängt der Geschäftserfolg eines Unternehmers nur davon ab, wie er es fertig bringt, diese verschiedenen Größen so zueinander in Beziehung zu setzen, dass ein für den Markt tragbarer Preis herauskommt und dass dabei doch alle Produktionsfaktoren zur Befriedigung ihrer Ansprüche kommen. Da wir mit diesem System des Kapitalismus innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung mit immerhin weitgehend freier Konkurrenz stehen, sind dem Unternehmer bei seiner Kalkulation bezüglich des erzielbaren Verkaufspreises Grenzen gesetzt. Sein kaufmännisch unternehmerisches Geschick, Gewinne zu erzielen, hat keinen sehr weiten Spielraum in dieser Wettbewerbswirtschaft. Die "fixen Kosten" muss er akzeptieren; um die Rohstoffpreise kann er vielleicht noch handeln; hinsichtlich der Löhne hat er es mit einem Kontrahenten zu tun, den er nicht willkürlich drücken kann und den er außerdem immer sofort bezahlen muss; so bleibt ihm denn nur die Chance, mit guter Arbeits- und Vertriebs-Organisation seinen Unternehmergewinn zu verdienen.

Bei dieser Sachlage liegt die Chance des Unternehmers in der Steigerung der Produktion und des Absatzes. Bei verdoppelter Produktion mögen die variablen Kosten, also die Aufwendungen für Rohstoffe, Löhne usw. zunehmen; aber auf die vergrößerte Gesamtproduktion bezogen bleiben doch die "fixen Kosten" dieselben. Das bedeutet, dass die "fixen Kosten" auf das Stück gerechnet anteilmäßig geringer werden. Eine solche Entwicklung des Unternehmens wird also gewinnbringend, erlaubt auch Lohn-Erhöhungen und Preis-Ermäßigungen, während der Kapitalist nach wie vor seinen Anteil erhält, jedoch den besonderen Gewinn der guten Geschäftsentwicklung den Unternehmern, Arbeitern und Konsumenten überlassen muss. In diesem Zusammenhang ist wieder besonders bemerkenswert, dass die Interessen-Verbindung zwischen Unternehmern und Arbeitern eine viel engere ist, als die Interessen-Verbindung zwischen Unternehmern und Kapitalisten.

Die Sache, die hier zu klären ist, wird aber noch um einige Grade deutlicher, wenn wir uns die Vorgänge in der rückläufigen Konjunktur ansehen. Die rückläufige Konjunktur trägt die Merkmale der Absatzstockung und des Preis-Verfalls. Der Unternehmer, der diese Entwicklung bei den Verkaufsbemühungen für seine Produkte zu spüren bekommt, wird dadurch zur Betriebseinschränkung genötigt. Zunächst hat er aber seine Rohstoffe und Halbfabrikate zu einem früheren Termin und zu den alten höheren Preisen eingekauft; und mit seinen Arbeitern und Angestellten hat er Anstellungs-Kontrakte und Lohn-Tarife abgeschlossen, die er vorerst noch einhalten muss. Will er nun dem Druck des Marktes gerecht werden, wozu ihm in der Depression keine andere Wahl bleibt, so muss er die Endpreise auf Kosten seines Unternehmer-Anteils senken. Die Bemühungen der Unternehmer, in solchen Fällen dann doch eine Lohnsenkung durchzuführen, sind für den Arbeiter begreiflicherweise nicht erfreulich und sie ziehen auch nur noch weitere Schrumpfungen des allgemeinen Marktes nach sich, aber sie sind schließlich doch auch nur darauf zurückzuführen, dass dem Unternehmer nur die Spanne der variablen Kosten der Produktion für eine Anpassung an die veränderte Konjunkturlage zur Verfügung steht. Eine Abwälzung auf die "fixen Kosten", eine Senkung des Kapital-Ertrages steht in diesem System nicht zur Erwägung. Die so genannte "Rentabilität" des Unternehmens, d. h. seine Fähigkeit, Kapital-Ertrag abzuwerfen, muss im kapitalistischen System unter allen Umständen gewahrt werden. Reichen die Erträgnisse nicht mehr aus, den Anforderungen des Kapital-Dienstes gerecht zu werden, dann wachsen die fälligen Zahlungen der Schuld zu, oder das Kapital zieht sich aus dem Unternehmen zurück; die Aktien, die keine ausreichende Dividende mehr bringen, fallen im Kurs; der Kapitalist, der 5% Kapitalrente verlangt, gibt für die Aktien eines Unternehmens, das in der Depression nur 2,5% Rendite bringt, nur den halben Preis, um auf diese Weise für sein angelegtes Kapital die ihm als angemessen erscheinende Rente zu erzielen. Wenn die Konjunktur späterhin wieder 5% Dividende auf den Nominalbetrag des Aktienkapitals auszuwerfen erlaubt, steigen freilich die Papiere wieder im Kurs und der Erwerber der Papiere hat 100% seines im Aktienkauf angelegten Kapitals dazu gewonnen!

Im kapitalistischen System orientiert sich eben auch die Bewertung des Sachkapitals nicht etwa schlicht und natürlich an den Erstellungskosten, sondern sie orientiert sich - wie es die Logik des Rentabilitätsprinzips verlangt - automatisch am Kapital-Ertrag, dem Zins.

Der Kapital-Ertrag ist sozusagen in chemisch reinster Form der Kern des Kapitalismus. Besser als die kapitalistische Produktionskosten-Aufgliederung die einzelnen Kosten und Einkommens-Kategorien exakt und säuberlich voneinander trennt, kann keine Spektral-Analyse die Elemente eines Stoffes voneinander trennen. Darin ist also die kapitalistische Betriebswirtschaftslehre wesentlich genauer als die Theorie von Marx.

Da jetzt ferner die aufgegliederten Kosten leicht untersucht werden können, wieweit sie zu Arbeitseinkommen und wieweit sie zu arbeitslosem Einkommen werden, überlassen wir diese Untersuchung hier dem gesunden Menschenverstand des Lesers und nehmen das Ergebnis, das ja kaum strittig sein dürfte, vorweg, indem wir den Kapitalertrag als zweifelsfrei arbeitsloses Einkommen betrachten. Der Kapitalzins ist eine ständige gegenleistungslose Abführung von Anteilen aus dem Sozialprodukt an die Kapitalgeber. Dass die Kapitalgeber der Wirtschaft Produktionsmittel zur Verfügung gestellt haben, wird mit der Amortisation, mit der Erhaltung und Wiedererstattung des Kapitals ausgeglichen. Der Zins geht darüber hinaus und kann nur aus der Schmälerung des Arbeitseinkommens gewonnen werden. Mithin befinden wir uns hier wieder mit allen sozialkritischen Denkern darin in Übereinstimmung, dass der Kapitalismus am Arbeitsertrag der schaffenden Menschen zehrt.

Befreiung vom Rentabilitäts-Prinzip

Die Frage der Überwindung des Kapitalismus stellt sich uns dar als die Frage der Herauslösung des Rentabilitätsprinzips aus der freien Marktwirtschaft. Rentabilität ist nämlich nicht identisch mit Wirtschaftlichkeit und bedeutet auch nicht schlechthin "gewinnbringend"; Rentabilität kommt von "Rente" und gemeint ist die Kapitalrente, deren Aufbringung also das Charakteristikum der Rentabilität eines Unternehmens ausmacht. "Wirtschaftlich" und "gewinnbringend" kann ein Unternehmen auch dann noch sein, wenn es keine Kapitalrente mehr abwirft, sondern nur den Kapital-Verschleiß (die Amortisationen) und die sonstigen Gestehungskosten einschließlich eines im Wettbewerb behaupteten Unternehmergewinns für die Gesamtleistung des Unternehmers im Produktionserlös einbringt.

In den dicken Bänden seiner revolutionären Theorie, die Karl Marx mit dem Titel "Das Kapital" versehen hat, richtet sich aller soziale Groll gegen den Unternehmergewinn. Die "Mehrwert"-Theorie lässt gar keinen Raum für den Gedanken, dass die unternehmerische Leistung auch noch so etwas wie Arbeit sein könnte und folglich einen Anspruch auf einen Teil des Erlöses geltend machen kann. So bedauerlich es nun aber auch sein mag, dass die soziale Revolution durch den Irrtum und durch unabgeklärte Begriffsbestimmungen eine falsche Stoßrichtung bekam, so ist das Ganze doch aus den Zeiterscheinungen verständlich, an denen sich Karl Marx die vermeintliche Bestätigung seiner Auffassungen geholt hat. Kapital-Ertrag und Unternehmergewinn mögen in den Anfangszeiten der industriellen Entwicklung des vorigen Jahrhunderts häufig so weitgehend zusammengefallen sein, dass sie wie ein Ding zusammengeschmolzen schienen.

Und dennoch ist bereits Marx auf die Widersprüche aufmerksam gemacht worden, die in seinen Vorstellungen unlösbar bleiben. Abgesehen davon, dass schon Adam Smith den freien Wettbewerb als nivellierendes Element gegenüber dem privatwirtschaftlichen Gewinnstreben erkannt hat, dreht sich die Auseinandersetzung zwischen Marx und Proudhon sehr wesentlich um die Bedeutung des Kapitalzinses - freilich, ohne dass Marx über die vehemente Beschimpfung, die er dem Andersdenkenden angedeihen ließ, hinausgekommen wäre und an der Diskussion etwas an Klarheit gewonnen hätte.

Volkswirtschaftliches Denken hat sich von jeher darum gedreht, inwieweit eine ökonomische Ordnung, ein System, dem Wohle der Gesamtheit gerecht wird. Diese grundsätzliche Ausrichtung des Denkens und Forschens ist nicht erst eine Besonderheit der Sozialisten. In diesem Sinne ist die freie Wettbewerbswirtschaft schon bei Adam Smith ein System, in welchem das vom privatwirtschaftlichen Erfolgsstreben gelenkte Handeln der Individuen zum bestmöglichen Einsatz der Produktivkräfte und zugleich zur wohlfeilsten Versorgung des Marktes führt. Obwohl also jeder auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, stellt sich auf höherer Ebene eine natürliche Harmonie zwischen Individuum und Gesellschaft ein - weil nämlich jeder im allgemeinen Wettbewerb mit bester Leistung und wohlfeilstem Angebot dem Markt und der Gesellschaft gegenübertreten muss. Individuelles Gewinnstreben und freier Wettbewerb gewährleisten in ihrem Zusammenwirken die beste und billigste Versorgung der Menschen mit wirtschaftlichen Gütern.

Diesen Thesen von Adam Smith glaubte man später mit dem Hinweis auf die Absatzkrisen des kapitalistischen Systems den Wahrheitsgehalt absprechen zu können. Hierbei wurde indessen übersehen, dass Adam Smith vom unverfälschten, monopolfreien Wettbewerb ausging. Monopole sind Ausklammerungen vom Wettbewerb. Neben den Ur-Monopolen Boden und Geld gibt es mancherlei künstliche, durch die Rechtsordnung geschaffene Monopole. In jedem Falle ist am Monopol stets der die Gewinnspannen ausgleichende Angriff des freien Wettbewerbs zu Ende. Dies bedeutet eine Grundlagenveränderung und das heißt, dass in der bisherigen Wirtschaftsentwicklung eine echte freie Wettbewerbsordnung im Sinne von Adam Smith überhaupt noch nicht da war. Da Adam Smith im übrigen vielfach als der Theoretiker und geistige Vater des liberalkapitalistischen Systems gilt, wollen wir hier auch noch beachten, dass Smith von den Nutznießern des Produktionsfaktors Kapital erklärte, dass ihre Interessen niemals mit dem Interesse der Gesellschaft zusammenfallen, denn der Gewinnsatz (Kapitalertrag) steige und falle nicht etwa mit dem Gedeihen und dem Verfall der Gesellschaft, sondern er bewege sich umgekehrt, er sei von Natur niedrig in reichen Ländern und er sei hoch in armen Ländern! Dieser Sachverhalt ist außerordentlich beachtenswert, denn hier liegt der Schlüssel zum wirklichen Verständnis der Dinge.

Es dürfte an dieser Stelle kaum nötig sein, zu erklären, dass allem ökonomischen Disponieren eine Erfolgsrechnung zugrunde liegen muss. Die Erlöse müssen, wenn das Wirtschaften einen Erfolg haben soll, über den Aufwendungen liegen; der umgekehrte Gang ist sachlich nicht möglich, d. h. er würde die Substanz aufzehren.

Privatwirtschaftliches Disponieren ist also mit Notwendigkeit und Recht auf Gewinn-Erzielung ausgerichtet. In einer Volkswirtschaft, in der diesem Gewinnstreben freie Bahn gelassen ist, wendet sich der Gewinn-Instinkt des Unternehmers wohl auch heute noch (und nicht nur nach den Lehren der klassischen Nationalökonomie) derjenigen Produktion zu, die die höchsten Gewinne abwirft. Das ist indessen - nach den Lehren der Klassiker - in der Regel bei der Produktion der Fall, die in unzureichendem Angebot auf dem Markt erscheint. Die verstärkte Produktion vergrößert somit das Angebot und senkt den Preis, wodurch der Eifer der Produzenten naturgemäß wieder herabgemindert wird. Schließlich pendeln Erzeugung und Gewinn in der freien Wettbewerbswirtschaft um die bei einem gegebenen technischen Entwicklungsstand bestmögliche Güterversorgung und den im Wettbewerb behaupteten Unternehmerlohn.

Es wäre ein nahe liegendes aber auch billiges Argument, gegen diese Vorstellung von der Sache geltend zu machen, dass in unserer heutigen Wirtschaft Preisabsprachen und Produktions-Vereinbarungen der Nivellierung des Gewinnes entgegenwirken. Das wird gar nicht bestritten - wenn auch die Motive für alle Kartell-Politik weniger in dem Bestreben wurzeln, den Unternehmergewinn zu schützen, als vielmehr den Kapital-Ertrag zu sichern. Die Nivellierung der Gewinne bis auf den Stand, der der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Unternehmerleistung gerecht wird, ist unter allen Umständen eine Frage des freien Wettbewerbs. Es ist sachlich einfach notwendig, dass viele Unternehmer von verschiedenen Standorten aus um den Gewinn miteinander konkurrieren. Jede Konzentration in einer Hand oder in einem Zusammenschluss, gleichgültig, ob es sich um eine privatwirtschaftliche oder um eine staats- oder kommunalwirtschaftliche Ausschaltung des Wettbewerbs handelt, schafft eine Monopolstellung und bewirkt sofort eine der bestmöglichen Versorgung und dem billigsten Preis gegenläufige Bewegung. Am Objekt privatwirtschaftlicher Monopol-Unternehmungen braucht das wohl nicht besonders nachgewiesen zu werden, weil es zu offenkundig ist; interessanter Weise trifft es aber noch in bedeutend höherem Maße für diejenigen Monopol-Unternehmungen zu, die dem Worte nach mit Rücksicht auf das allgemeine Wohl monopolisiert sind. Es ist eine bekannte Erfahrung, dass staatliche, städtische, kommunale Betriebe immer weniger leisten und mehr kosten. Es ist fast ein Gesetz: je weitgehender der Wettbewerb ausgeschaltet ist, desto krasser wird die Diskrepanz zwischen Leistung und Preis. Kein kapitalistisches Unternehmen hätte in unserer doch noch beträchtlich verbesserungsbedürftigen Wettbewerbswirtschaft z. B. jemals solche Gewinnspannen fordern können, wie die staatliche Handelsorganisation (HO) in Ost-Deutschland zu fordern für vertretbar hält! So sind wir beispielsweise im kapitalistischen Handel gewohnt, dass der Konsument seine Eier, die er beim Kaufmann an der Straßenecke holen kann, mit 30-35% Aufschlag auf den Erzeugerpreis bezahlen muss. In den staatlichen HO-Geschäften der Ostzone dagegen kostet das Ei, das der Bauer für 11 Pfennige liefern muss, 45 Pfennige; das ist ein Aufschlag von 300%. Es gibt keinen Wettbewerb, der diese Handelsspanne angreifen könnte. Der Wettbewerb als das tragende und gesunde Prinzip der freien Marktwirtschaft ist ein jedem Übergewinn feindliches Element. Er ist auch dem Kapital-Ertrag feindlich und baut ihn ab, soweit seine Macht reicht. Dieser Abbau des Kapital-Ertrages vollzieht sich innerhalb der Marktwirtschaft nach den gleichen Gesetzen, nach denen die Vermehrung des Angebotes den Preis senkt. Kapital als reale Substanz von Produktionsmitteln, Maschinen, Gebäuden, Rohstoffen und Vorräten ist nötig, um den Arbeiter mit den Mitteln auszustatten, mit denen er die langwierige aber ertragreichere Produktion von Waren für den Markt von morgen bewerkstelligen kann. Ohne den Einsatz von Kapital ist die Arbeit mühseliger und der Produkte sind es in der gleichen Zeit weniger. Folglich hält die Arbeit selbst Nachfrage nach Kapital - und bezahlt den Preis notgedrungen durch den Verzicht auf einen Teil des Arbeitsertrages, der damit also Kapital-Ertrag wird. Schon allein die Existenz der Arbeitslosen ist in der modernen Wirtschaft ein Schrei nach Arbeitsplätzen, nach Kapital - und diese Situation relativen Kapitalmangels erlaubt es, die Überlassung von Kapital an Bedingungen zu knüpfen. Der Kapital-Ertrag, der Zins ist nichts anderes als Preis und Bedingung für leihweise Überlassung von Kapital, das die Wirtschaft braucht. Die Überlassung ist dabei immer nur leihweise; jedes Kapital muss entweder auf Kündigung oder zu vorher vereinbarten Terminen oder in laufend zu entrichtenden Tilgungsraten zurückgezahlt werden. Der Zins gilt nur für die Leihe.

Unter solchen Umständen ist es in Zeiten und Ländern großen Kapitalmangels gewinnbringend, Kapital zu bilden und heranzuschaffen, was sich wieder mit der Feststellung von Adam Smith über die armen Länder und die hohen Zinsen deckt.

Woher kommt nun aber das Kapital? - Es kommt in jedem Fall, in der heimischen Volkswirtschaft wie auch in anderen Ländern aus nicht verbrauchtem Produktions-Ertrag, aus Rücklagen, Vorräten, Ersparnissen. So ist sein erster, gewissermaßen embryonaler Zustand in unserer heutigen Wirtschaft der Zustand der "Spar-Rate". Geld-Einkommen, das nicht für Verbrauchsgüter wieder verausgabt sondern auf die "hohe Kante" gelegt wird, ist somit bereits ein Anfang von Kapitalbildung.

In wirtschaftspolitischen Artikeln und Broschüren kann man mitunter die Auffassung vertreten finden, dass die Kapitalbildung eine besondere Aufgabe der Kapitalisten und Unternehmer sei, womit in einem Atemzug die Rechtfertigung einer Lohn-Vorenthaltung versucht wird. So gesehen, muss dieser Meinung aber widersprochen werden. Kapital wird immer aus den Ersparnissen gebildet, ganz gleichgültig, woher sie kommen. Auch innerbetriebliche Kapitalbildung, die das Zeremoniell vom Rutsch in die Sparbüchse und auf das Sparkassenbuch überspringt, ist per Saldo dasselbe.

Dass der Kapitalist und der Unternehmer, da jeder von ihnen ein höheres Einkommen hat, mehr Kapital bilden kann als der Arbeiter, dessen Einkommen vielleicht nur wenig Ersparnisse übrig lässt, ist zwar einleuchtend; die Möglichkeiten würden sich aber sofort verschieben, wenn die Kapitalrentner und die Unternehmer weniger und die Arbeiter mehr Einkommen hätten.

Bei einer gegebenen Wirtschaftslage, die den Kapitalbesitzern einen hohen Kapital-Ertrag einbringt, führt indessen der Wunsch nach Mehr zur erneuten Anlage dieser Einkünfte (während Lohnerhöhungen zuerst zu einer Ausweitung des Konsums führen würden!). Dadurch wird nun das Kapital vermehrt. Nach dem Gesetz des Marktes verschlechtern sich aber mit der Kapitalvermehrung die Bedingungen zur Erzielung hoher Kapital-Erträge; der Zins fällt, wenn das Kapital-Angebot steigt. Ein rückläufiger Zins bewirkt außerdem zugleich eine Umschichtung in den Produktionskosten, respektiv in der Einkommensverteilung. Der Unternehmer, der mit billigem Kapital arbeiten kann, hat niedrigere fixe Kosten und wird entweder seine Unternehmerspanne verbessern (was die Konkurrenz auf den Plan ruft) oder höhere Löhne zahlen (was auch andere Betriebe revolutioniert), oder er wird die Preise senken, um die Konkurrenz zu überflügeln - und so wird sein durch billigeres Kapital ermöglichter Preisabbau auch einen Druck auf das Rentabilitäts-Niveau der konkurrierenden Unternehmungen ausüben. Dann werden auch die dort bislang geltenden höheren Zinsbedingungen der Kapitalgeber ermäßigt, denn dies ist die Sprache, die das Kapital versteht.

Der ungehinderte Wettbewerb baut also, wie schon gesagt, auch den Kapital-Ertrag ab. Die freie Wettbewerbswirtschaft trägt die Tendenz in sich, die parasitäre Wucherung "Kapitalismus" auf die natürlichste Art, nämlich durch den Entzug der Existenzbedingungen, abzutöten.

Proudhon und Karl Marx

Die vorausgeschickte Auffassung von der Sache ist keineswegs neueren Datums. Sie bildete bekanntlich schon die Grundvorstellung der Konzeptionen von J. P. Proudhon, den freilich Karl Marx - aus dem totalen Unvermögen heraus, den Bannkreis seiner eigenen Theorien noch zu verlassen - mit verletzender Aggressivität, mit Beleidigungen und ätzendem Hohn überschüttete. Man muss diese gegen Proudhon gerichteten Auslassungen von Karl Marx, hauptsächlich in der Schrift "Das Elend der Philosophie", wirklich lesen, um ein wenig von der Tragik zu begreifen, die darin liegt, dass unzweifelhaft wesentliche Wegweiser zu einer befriedigenden Ordnung von dem Ungestüm niedergewalzt wurden, mit dem sich der Irrtum des Marxismus seine Bahn brach. Da wird Proudhon mehr als 200 Seiten lang Seite für Seite abgekanzelt, er "bildet sich ein", "ist naiv", bringt "abgeschmackte Theorien", ist ein "reaktionärer Kleinbürger" usw. Seine Vorstellung, dass das Zins-tragende Kapital die Hauptform des Kapitals sei, ist nach Marx "eine spießbürgerliche Phantasie".

In seiner Abhandlung "Lohnarbeit und Kapital" setzt sich Marx folgendermaßen mit der Sache auseinander: "Um die ganze Dummheit, Niederträchtigkeit und Heuchelei dieser Doktrin zu enthüllen, genügt folgendes: …Der Arbeitslohn wächst, wenn die Nachfrage nach der Arbeit wächst. Diese Nachfrage wächst, wenn das Kapital, das die Arbeit in Bewegung setzt, wächst, d. h. wenn das produktive Kapital zunimmt. Hierbei sind nun zwei Hauptbemerkungen zu machen: Erstens: Eine Hauptbedingung für das Steigen des Arbeitslohnes ist das Wachstum des produktiven Kapitals und ein möglichst rasches Wachstum desselben. Die Hauptbedingung für den Arbeiter, in eine passable Lage zu kommen, ist also die, seine Lage gegenüber der Bourgeoisklasse immer mehr herabzudrücken, die Macht seines Gegners - das Kapital - möglichst zu vermehren. Das heißt: nur unter der Bedingung kann er in einer passablen Lage sein, dass er die ihm feindliche Macht, seinen eigenen Gegensatz, erzeugt und stärkt. Unter diesen Bedingungen, indem er diese ihm feindselige Macht erschafft, strömen ihm von derselben Beschäftigungsmittel zu, die von neuem ihn zu einem Teil des produktiven Kapitals machen und zum Hebel, der dasselbe vermehrt und in eine beschleunigte Bewegung des Anwachsens schleudert. Nebenbei bemerkt, wenn man dieses Verhältnis von Kapital und Arbeit begriffen bat, so erscheinen alle fourieristischen und sonstigen Vermittlungsversuche in ihrer ganzen Lächerlichkeit."

In diesen höhnischen Auslassungen zeigt sich vielleicht am deutlichsten, dass Karl Marx von seiner eigenen Vorstellung vom Kapital als der "feindlichen Macht" gar nicht herunterkam, während die Idee Proudhons doch eben besagt, dass man die Macht des Kapitals durch Vermehrung brechen kann. Wenn man in diesem Zusammenhang von "feindlichen Mächten" sprechen wollte, so wäre es nur logisch, in jedem in Neubildung begriffenen Kapital die "feindliche Macht" zu sehen, die dem schon vorhandenen Kapital zu Leibe rückt und ihm den Ertrag im Konkurrenzkampf der Wirtschaft abnimmt. Der Dritte, der sich freuen darf, "wenn zwei sich streiten" - wenn das neue gegen das alte Kapital in den Konkurrenzkampf zieht - wäre doch der Arbeiter! So war die Meinung Proudhons.

An einem konkreten Beispiel dargestellt, behauptet Proudhon: Wenn ihr Arbeiter wenig Häuser habt, um darin zu wohnen, und euch in wenigen Fabriken um die Produktionsmittel drängt, dann ist das Kapital stark und mächtig es wird euch einen hohen Mietzins abnehmen und euch unter dem Druck der Reservearmee einen geringen Anteil vom Erlös der industriellen Erzeugung als Lohn geben. Aber das braucht nicht für immer so zu bleiben. Ihr müsst nur unverdrossen arbeiten, neue Häuser und neue Fabriken bauen, neue Produktionsmittel herstellen. Wenn neben jedem Wohnhaus noch eines erstellt wird und neben jede Fabrik eine zweite, dann wird das Kapital durch seine eigene Konkurrenz geschwächt. Der Mietzins sinkt, wenn viele Wohnungen dastehen, und der Lohn steigt (oder der Warenpreis sinkt, was auf dasselbe herauskommt), wenn die Unternehmer zur Konkurrenz mit neuen Produktionsstätten gezwungen werden und keine Reservearmee von Arbeitslosen mehr da ist. Ihr dürft nicht streiken, nur der entgegengesetzte Weg führt euch zum Ziel! - So ungefähr hätte Proudhon gesprochen.

Karl Marx aber hätte in der Logik seiner angeführten Auslassungen sagen müssen: Arbeiter! Das Kapital ist die feindliche Macht, die euch unterjocht und ausbeutet. Ihr werdet vom Hausbesitzer und vom Fabrikanten ausgebeutet. Hütet euch, diese Macht noch zu stärken! Hört doch auf, Kapital zu bilden, Häuser zu bauen! Je mehr Kapital ihr bildet und je mehr Häuser ihr baut, desto mehr kann das Kapital an Profiten und Mietzinsen aus euch herausholen! - - -

Es mag fraglich sein, ob Karl Marx so etwas Törichtes gesagt hätte, wenn die Frage in dieser Form gestellt worden wäre. Nichtsdestoweniger ist dieses Ergebnis die logische Konsequenz seiner ganzen Theorie - bei der er außerdem noch übersehen hat, dass die von Proudhon geforderte Kapitalbildung der Arbeiter, also die Kapitalbildung aus der Spar-Rate vom Lohn, das Eigentumsrecht an den neuen Produktionsmitteln den Arbeitern und nicht ihren bisherigen Herren sichert. - Doch der entscheidende Grund für die Verirrung von Karl Marx liegt wohl darin, dass er nicht mehr in der Lage war, zur Anerkennung des einfachen Gesetzes von Angebot und Nachfrage zurückzufinden. Dieses Anerkenntnis hätte nämlich seine Wert- und Mehrwert-Theorie und damit sein ganzes Werk umgestoßen.

Die Selbst-Steuerung des Kapitalismus

Wenn Proudhon recht hat - so könnte man jetzt fragen - warum hat dann die Kapitalbildung noch nie den Punkt der Vermehrung erreicht, bei welchem es in gegenseitiger Konkurrenz seiner Machtstellung verlustig gegangen wäre und der Volkswirtschaft bedingungslos (und ohne Kapital-Ertrag zu fordern) gedient hätte?

Diese Frage trifft den Kern der Sache, führt uns aber wiederum auf einen Problemkreis zu, dem mit der Wissenschaft des Marxismus nicht beizukommen ist, zum Problemkreis der volkswirtschaftlichen Zirkulation.

Die arbeitsteilige Wirtschaft, die laufend Ware für den Markt produziert, bedarf zum Austausch der Leistungen und zum ständigen fließenden Übergang der Produktion in die Konsumtion eines Tauschvermittlers. Dieser Tauschvermittler ist das Geld. Es ist das Agens, in dem sich die Nachfrage verkörpert, die dem Warenangebot auf dem Markt gegenüber tritt. So werden in der Rechnungseinheit des Geldes alle Warenpreise, Produktionskosten, Einkünfte, Kapitalien, Schulden und Forderungen ausgedrückt. Der ganze Wirtschaftsprozess ist auf die Geldrechnung bezogen und ist damit auch von der Funktion des Geldes als des allgemeingültigen Tauschvermittlers abhängig.

Es ist hier vielleicht nicht nötig, dass wir uns näher mit geldtheoretischen Erörterungen befassen; beschränken wir uns also darauf, nur das anzuführen, was zum Verständnis der so genanten "kapitalistischen Konjunkturbewegungen" erforderlich ist:

Wenn die moderne industrielle Produktion bei der privatwirtschaftlich gesteuerten Herstellung einer Ware die Produktionskosten im einzelnen genau aufgliedert und in der Geldrechnung festhält, so wird damit, wie schon erwähnt, zugleich festgelegt, wie sich die Einkommensquoten auf die verschiedenen Produktionsfaktoren verteilen. Der Endpreis eines Produktes kann nie größer sein, als die Summe der Produktions- und Vertriebskosten einschließlich der Gewinne, aus denen er sich zusammensetzt; und ebenso wenig wird jemals etwas übrig bleiben. Daraus folgend ergibt sich, dass die Summe des Gesamt-Einkommens einer Volkswirtschaft rechnerisch einem Geldbetrag entspricht, der ausreichen müsste, den Markt kahl zu kaufen, d. h. dieses selbe Produktionsvolumen abzusetzen. Dabei hätte lediglich jeder Einkommens-Empfänger das Geld, das er für seine Leistung bekommen hat, für den Ankauf der Leistungen anderer benutzt. Von der Voraussetzung dieses vollkommenen Austausches, dass die Produktion die richtige Zusammensetzung haben muss, brauchen wir nicht zu reden, da sich die im Fluss befindliche Produktion ständig an der Nachfrage orientiert und selbst diejenige Ware, für die das Interesse abklingt, immer noch zu ermäßigten Preisen, d. h. mit Gewinn-Verzicht abgesetzt werden kann. Eine andere Voraussetzung ist freilich, dass die Versorgung der Volkswirtschaft mit Geld den Erfordernissen dieses Austauschprozesses entsprechen muss. Eine große Volkswirtschaft mit erheblicher industrieller Produktion benötigt mehr Geld als ein kleines Land mit vorwiegend naturalwirtschaftlich arbeitender bäuerlicher Bevölkerung.

Der ganze Prozess des Leistungs-Austausches ist im Grunde genommen zugleich identisch mit dem Prozess der Einkommensbildung in Geld. Jedenfalls ist jede Leistungs- und Produktions-Anstrengung immer erst mit der erfolgten Bezahlung soweit abgeschlossen, dass der Einkommensempfänger über sein Einkommen disponieren kann. Aus den Erlösen am Markt bilden sich in unzähligen Rinnsalen schließlich drei Ströme von Einkünften, die Einkünfte aus Grundrente, Kapital-Ertrag und Arbeit:

Grundrente - für die Produkte und für die Nutzung des Bodens;
Kapitalertrag - für die leihweise Überlassung der Produktionsmittel; und
Arbeitslohn - für jede körperliche und geistige, praktische und organisatorische Leistung.

Was der einzelne mit seinem Geld-Einkommen macht, bleibt seiner souveränen Entscheidung überlassen. Gibt er sein Geld für Verbrauchsgüter aus, so nimmt diese Nachfrage wieder ihren Lauf durch den Sektor der Verbrauchsgüterwirtschaft; ein anderer empfängt das Geld und kann seinerseits kaufen usw. Das Geld bleibt in der Zirkulation. Zweigt er aber von seinen Einkünften Ersparnisse ab, die er demgemäß von diesem Weg über den Verbrauchsgütermarkt zurückhält, so muss dadurch ein Ausfall an Nachfrage entstehen, demgegenüber logischerweise ein Güterrest auf dem Markt zurückbleiben wird. Hier gibt es jedoch noch eine andere Möglichkeit: die Spar-Rate wird auf dem Umweg über Banken oder Sparkassen als Kredit - d. h. als Leihkapital - der Neubildung von Produktionsmitteln und Sachkapital zugeführt. Jetzt wandert das von Verbrauchs-Ausgaben zurückgehaltene Geld in den Sektor der Investitionen, der Produktionsmittel-Industrie oder der Bauwirtschaft. Auch hier ist das Geld wieder in der volkswirtschaftlichen Zirkulation. Die Menschen, die sich mit der Erstellung von Wohnhäusern oder mit dem Aufbau von Produktionsanlagen befassen, erhalten aus dem Zufluss dieser Gelder die Vergütung für ihre Leistungen und kaufen damit die Verbrauchsgüter, auf die die Sparer verzichtet haben. Der Kreislauf ist auch so wieder geschlossen. Die Volkswirtschaft arbeitet ausgeglichen - nur vom individuellen Gewinnstreben und vom Wettbewerb angetrieben.

Stellen wir uns jetzt aber vor, dass dieser Prozess ohne Unterbrechung, monate-, jahre-, jahrzehntelang anhält. Dann ergibt sich zu guter Letzt, dass bei dieser anhaltenden Konjunktur laufend ein mehr oder weniger großer Anteil des Sozialproduktes über das Sparen und Kreditgeben den Investitionen zufließt, dass dadurch das Realkapital vermehrt wird und der Kapitalertrag unter dem Druck der Kapitalvermehrung sinkt. Mit sinkendem Kapitalertrag werden aber die vielen Einkommensrinnsale, die in der Zusammenfassung den Strom des arbeitslosen Einkommens „Kapitalzins“ bildeten, dünner und schwächer; und da der Gesamtertrag deswegen nicht abnimmt, verteilt sich der entschwundene Zins auf die Unternehmer- und Arbeiter-Einkünfte, was auch in Einzelpreissenkungen vor sich gehen kann.

Soweit wäre alles verständlich und klar. Da aber die Kapitalvermehrung das unfehlbar wirksame Mittel ist, den Kapitalertrag auf die genannte Art und Weise abzubauen, gibt es natürlich auch ein sicher wirkendes Mittel, den Abbau des Kapitalertrages aufzuhalten und das kapitalistische System als solches zu retten. Dieses Mittel besteht analog dem Gesagten darin, die Realkapitalbildung einfach zu unterbrechen und stillzulegen. Damit kommen wir jetzt zu den Krisen des Kapitalismus, die (von Geldmangelkrisen abgesehen) stets Rentabilitätskrisen waren. Das kann man übrigens jedes Mal im Handelsteil aller Gazetten lesen; das ist gar kein Geheimnis; aber die Arbeiter verstehen es nicht. Der Vorgang entwickelt sich in der Regel so, dass die Kapital-Bildung in einer Volkswirtschaft, wie z. B. in den Vereinigten Staaten bis 1928/29, durch eine lang anhaltende Konjunktur einen Höchststand erreicht hat, der nur noch eine minimale Kapitalrente zulässt. Wenn alle reich sind, fällt der Zins! Aus dieser Situation ergibt sich aber, dass die Anlage suchende Spar-Rate keine rentablen Objekte mehr findet. "Rentabel" soll aber doch eine Kapitalsanlage sein; das gehört zum ABC des Kapitalismus. Wenn indessen allerorts von einer "Überkapazität" gesprochen wird, ist nicht mehr zu erwarten, dass irgendwo noch eine lohnende Investition möglich sein kann. Der bekannte westdeutsche Betriebswirtschaftler, Prof. Dr. Schmalenbach sagte einmal, man sollte die Leute auf Schadenersatz verklagen dürfen, die mit "übermäßigen Investierungen" die Rentabilität untergraben haben.

Nun haben jedoch die Sparer, deren Ersparnisse mangels rentabler Objekte nicht mehr investiert werden können, deshalb noch lange keine Neigung, das Sparen ganz einzustellen und für die Zukunft von der Hand in den Mund zu leben. Mithin sparen sie anders und so zeigt sich bald, dass eine mit den laufenden Spar-Rücklagen wachsende Quote des Geldeinkommens nicht mehr auf den Markt kommt. Dieses Geld hält sich vom Kauf von Verbrauchsgütern zurück und geht auch nicht über den Weg der Investitionen in die Produktionsgüterwirtschaft. Es bleibt als "streikendes Geld" der Absatz vermittelnden Zirkulation fern, wobei es für die Wirkung natürlich gleichgültig ist, ob diese Disposition vom kleinen Sparer persönlich getroffen wird oder von dem Kreditinstitut, dem er sein Geld auf Widerruf anvertraut hat.

Wie wir oben sagten, sind Sozialprodukt und Geldeinkommen sich entsprechende Größen. Wenn also ein Teil des Geldeinkommens weder auf diesem noch auf jenem Weg zum Markt zurückfindet und die Güter aufnimmt, die ihm entsprechen, so bleiben diese Güter auf dem Markt unabsetzbar zurück. Es kann ja keiner mehr kaufen, als seinem eigenen Einkommen entspricht oder als sich mit dem Geld kaufen lässt, welches ein anderer ihm als Kredit zur Verfügung gestellt hat. Kredit gibt es aber nicht; der Kredit ist in der Krise zusammengebrochen, denn Kredit, das wäre ja Kapitalangebot - und das Kapitalangebot zieht sich bei ungenügender Rendite zurück und fällt in sich zusammen.

Wir befinden uns jetzt mitten in der kapitalistischen Absatzkrise. Die Schüler von Marx aber meinen, die "anarchische Produktion" der freien Unternehmer haben eine "Überproduktion" verschuldet, während in Wirklichkeit nur das Schrumpfen der Nachfrage den Abfluss vom Markt verlangsamt. Jetzt erzwingt die Absatzstockung einen allgemeinen Preisdruck - und dies ist etwas wesentlich anderes als ein Preisabbau, der mit der Produktionskostensenkung eines erleichterten Zinsendienstes ermöglicht wird. Dieser allgemeine Preisdruck wird zur Produktionshemmung. Mit weiteren Arbeitseinschränkungen ergeben sich weitere Einkommens-Ausfälle und eine noch stärkere Drosselung des Marktes. Auch die Verbrauchsgüter-Industrie arbeitet nun mit Verlust, denn die Verminderung der Beschäftigten-Zahl im Produktionsgüter-Sektor hat das Einkommens-Niveau gesenkt. Das System würgt in seiner Rentabilitätskrise den Wohlstand ab, der das Zins-Niveau des Kapitals gesenkt hatte. Jede derartige Krise beginnt übrigens mit der Einschränkung der Investitionsgüter-Produktion.

Der Ausfall an Nachfrage wächst sodann bis zum Vielfachen der gehorteten oder stilliegenden Spar-Rate an, denn die Währungsgesetze erlauben (normalerweise) nicht, das "streikende" Geld durch Geldvermehrung zu ersetzen – das führt nämlich zur Inflation – und keine Verordnung und kein Polizeigesetz bringt es fertig, den "Streik des Geldes" zu brechen. Jede Münze und jeder Geldschein, der im Strumpf oder im Tresor gehortet liegt, bedeutet nicht etwa nur einen einmaligen Ausfall an Nachfrage für den Markt, sondern diese Hortung bedeutet in jedem Einzelfall eine lange Kette von Ausfällen, weil schon mit dem ersten Ausfall zugleich alle folgenden Kaufvorgänge abgeschnitten sind, die sich normalerweise ergeben, wenn das Geld in der volkswirtschaftlichen Zirkulation bleibt.

Es ist auch kein Widerspruch zu dieser Erklärung, sondern im Gegenteil eine Bestätigung, dass die Banken in solchen Krisen geradezu in kurzfristigem Geld schwimmen. Hier strömt "faules" Geld zusammen, das aus dem Verkauf der vorausgegangenen Produktion noch eingenommen wurde, andererseits aber nicht wieder in neue Produktion hineingehen will, sondern lieber abwartend auf den Konten bleibt.

Fassen wir nun alle diese Beobachtungen zusammen und suchen wir den inneren Sinn der Vorgänge zu enträtseln, so haben wir nichts anderes vor uns als eine mit und über die Krise hinweg bewirkte selbsttätige Rettung des Rentabilitässprinzips. Der Kapitalismus als System verhindert zu gegebenem Zeitpunkt die ihm abträgliche, weil Zins-drückende, weitere Kapitalbildung und zwingt die gesamte Volkswirtschaft in eine so genannte "Reinigungskrise" hinein. Jetzt wird Kapital ausgemerzt, abgeschrieben bevor es abgenutzt ist, ja, sogar verschrottet; Vorräte werden aufgezehrt, Ersatzbeschaffung wird unterlassen und nicht selten wird realer Reichtum an nützlichen Produkten vernichtet. Alles das dient nur der Wiederherstellung eines Marktverhältnisses zwischen Kapitalangebot und Kapitalnachfrage - respektiv auch zwischen Güter-Angebot und -Nachfrage - bei welchem wieder eine dem Rentabilitätsdenken ausreichend erscheinende Verzinsung des Kapitals herauskommt.

(Anmerkung: Die wirkungsvollste "Reinigungskrise" ist der Krieg )

Die Überwindung des Rentabilitäts-Prinzips

Proudhon, der Antipode von Karl Marx, forderte einst: "Verschafft der Volkswirtschaft einen geschlossenen Kreislauf, einen regelmäßigen Güteraustausch, und die menschliche Gemeinschaft ist gesichert, die Arbeit vernunftgemäß geordnet!"

Private Initiative, Eigentum, individuelles Gewinnstreben, freier Wettbewerb stehen einer harmonischen und gerechten Wirtschaftsordnung nicht im Wege. Der wirtschaftliche Konkurrenzkampf, der von der Basis individueller Leistungsfähigkeit ausgeführt wird, sich also nirgends auf Monopole stützt, kann auch logischerweise niemals jenes Übergewicht an Einkommen und Reichtum zustande kommen lassen, das der Kapitalismus mit seinen Verfälschungen der Wettbewerbsgrundlagen ermöglicht.

Es ist hier nicht der Raum, noch auszuführen, dass unsere heutige Wirtschaft neben den Ur-Monopolen Geld und Boden auch an gewissen Monopolen in der Rechtsordnung (Konzessionen, Lizenzen, Patente) krankt. Auch hier müssten noch Reformen ansetzen, was freilich nicht besagt, dass geistige Leistungen und geistiges Eigentum schlechthin vogelfrei werden müssten. Wir haben uns hier nur mit der - allerdings auch wichtigsten - Frage zu befassen, wie die Monopolstellung des Kapitals gebrochen werden kann.

Monopol ist wirtschaftliche Macht; eine Macht, die es erlaubt, dem Kontrahenten die Bedingungen zu diktieren, in der Gewissheit, dass kein Wettbewerber kommen kann, der den Bedarf zu günstigeren Bedingungen deckt. In diesem Sinne ist das Geldkapital eine Macht, weitaus stärker als das Realkapital. Sobald Realkapital einmal gebildet ist, seien es Häuser oder Fabriken oder Maschinen, muss es mit dem schon vorhandenen Realkapital in Wettbewerb treten; da gibt es kein Zurück mehr! Schon allein die Erhaltung der Substanz erfordert jetzt Wartung, Pflege, Aufwendungen, Versicherungen usw. und damit Tätigkeit, Angebot, Ertrag; das Realkapital ist in gewissem Umfang einem natürlichen Druck zum Angebot ausgesetzt.

Anders beim Geldkapital. Hier dürfen wir uns wieder an Proudhon erinnern, der die einzigartige Machtposition erkannte, die das Geld in der arbeitsteiligen Wirtschaft inne hat und von dieser Sicht her in der Zurückhaltbarkeit des Geldes die Überlegenheit sah, mit der das Leihkapital den Zins fordert. Nach Proudhon kann sich der Markt nicht im Gleichgewicht befinden, wenn einerseits Waren, die unter einem natürlichen Angebotszwang stehen - da sie ja nicht für die eigene Bedarfsbefriedigung sondern für die Veräußerung auf dem Markt produziert werden - einem Tauschmittel gegenüber treten, das keinesfalls dergleichen Dringlichkeit um Austausch unterliegt.

Soweit sich die Produktion allseits auf der knappen Höhe der unmittelbaren Bedarfsdeckung bewegen würde, könnte man natürlich sagen, dass jedermann gezwungen sein wird, den Erlös für die eigenen Produkte zum Kauf derjenigen Erzeugnisse zu verwenden, die er selber braucht. Damit wäre die Überlegenheit des Geldes wohl hinfällig. Die arbeitsteilige Produktion hat es jedoch mit sich gebracht, dass die Erzeugung auf allen Gebieten mehr oder weniger über das Existenzminimum der Menschen hinauswuchs. Folglich kann jeder, der soviel produziert hat, dass er mit einem Bruchteil des Erlöses für seine eigene Produktion das einkaufen kann, was er dringend benötigt, bestimmte Teile seines Erlöses sparen. In der Naturalwirtschaft würde er in Vorräten sparen; in der Geldwirtschaft dagegen spart er, weil das vorteilhafter ist, in Geld. Auf Grund dieser durchaus natürlichen Neigung entwickelt sich ein Zustand, in welchem ein Teil der Produzenten mit einem Erlös vom Markte nach Hause geht, während andere die Ware wieder mitnehmen müssen, die sie verkaufen wollten. Der Geldbesitzer weiß ja, dass er die benötigten Waren auch später, nach Tagen, Wochen oder Monaten noch kaufen kann. Aber solange hält es der Mann, der für den sofortigen Absatz produziert hat und mit dem Erlös seine eigenen Bedürfnisse decken möchte, nicht aus.

In der historischen Entwicklung hat sich der Mensch damit geholfen, dass er den Geld-Sparern für die leihweise Überlassung der Ersparnisse einen Zins zahlte. Schließlich finanzierte er mit diesem Leihkapital die Herstellung von Gütern längerer Lebensdauer, wodurch die Menschen, die mit dieser Arbeit beschäftigt waren, Geld erhielten und in die Lage kamen, jene Produkte vom Markt wegzukaufen, die güterseitig der Sparquote entsprachen; die Zurückhaltung des Geldes hatte den Markt abgeriegelt, der Zins riegelte ihn wieder auf - aber eben nur auf Widerruf.

Bei diesem Punkt der Überlegungen setzte indessen bei Proudhon eine Folgerung ein, die noch nicht zur Lösung führen konnte. Geld und Ware sind nach seiner Auffassung nicht gleichwertig; das Geld ist der Ware überlegen. Folglich meint Proudhon, müssten sich Veränderungen von außerordentlicher Tragweite für die gesamte Volkswirtschaft ergeben, wenn er die Ware auf die Rangstufe des Geldes emporheben würde. Auf diesem theoretischen Fundament errichtete er das Projekt seiner Volksbank. Der Sinn dieses Unternehmens war aber keinesfalls - wie mitunter angenommen wird - eine Waren-Tauschbank zu errichten, wie sie etwa von Fulcrand Mazel in Marseille (1829/45) betrieben wurde und unrühmlich endete, sondern Proudhon erstrebte ein Institut, das einfach nur den durch Waren gedeckten Handelswechsel ohne Zinsbelastung in Umlaufmittel umwandeln wollte. Die Proudhonsche Volksbank wurde auch in der Tat als Aktien-Gesellschaft gegründet; da aber Proudhon aus politischen Anlässen verfolgt wurde, löste er das Unternehmen wieder auf und zahlte den Interessierten - rund 12000 Handwerkern und Kaufleuten - ihre Einlagen wieder zurück. Das Problem, um das es ging, blieb ungelöst.

Silvio Gesell

In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts hat sich der deutsch-argentinische Großkaufmann Silvio Gesell mit diesen Fragen befasst, unmittelbar angestoßen durch die damals in Argentinien herrschende Währungsverwirrung. Gesell kam - von den gleichen Grund-Einsichten ausgehend - auf eine ganz andere Konzeption. Anstatt die Ware auf die Rangstufe des Geldes zu erheben, forderte er, das Geld auf die Rangstufe der Ware herabzusetzen. Die praktische Realisierung dieser Idee würde erfordern, das Geld einem dauernd wirksamen Angebotszwang zu unterwerfen, der etwa dem natürlichen Angebotszwang entspricht, dem die von der Vergänglichkeit, von Witterung, Rost und Motten und mancherlei Wartungskosten bedrohte Ware ausgesetzt ist. Dies ist die theoretische Grundlage für die berühmte - in der Denkungsart der Kapitalrentner allerdings mehr "berüchtigte" - "Freigeld-Reform". Gesell schlägt in seinem Geldsystem Banknoten vor, die in periodischer Regelmäßigkeit an Nennwert verlieren, so dass eine "Vorratshaltung in barem Gelde" genau so wie das Vorrätighalten von Verbrauchsgütern einige Kosten machen wird.

Als Gesamtbelastung des Geldes glaubt Gesell mit einer Quote von jährlich etwa 5% auskommen zu können. Da sich diese geringfügige Belastung nur auf die umlaufende Geldmenge bezieht, nicht aber auf die zu Buch stehenden Spar-Guthaben, wäre der außerordentlich heftige Widerstand, den dieser Gedanke heraufbeschworen hat, kaum verständlich - wenn es nicht eben an diesem Punkt um den Monopolcharakter des Geldes überhaupt ginge. Es ist die zwingende Logik der Gesell'schen Konzeption, dass die Entmonopolisierung des Geldes genau an dem Punkt wirksam wird, an dem es für das Rentabilitäts-Prinzip um Sein oder Nichtsein geht! Die Zirkulation des Geldes im Verbrauchsgüter-Sektor ist an sich auch ohne diesen Umlauf-Impuls, den Gesell dem Geld geben will, gesichert. Aber in dem Augenblick, in dem sich irgendwo eine Spar-Rate sammelt, tritt der Impuls in Aktion. Der Sparer - und mit ihm alle anderen, groß und klein - hat mit diesem Geld in der Hand keine andere Wahl, als die zwischen Verbrauchs-Ausgaben einerseits und Investitionen andererseits. Entscheidet er sich für das Sparen (und Nichtverbrauchen), dann muss er seine Ersparnisse den Investitionen, der Zins-drückenden Kapitalbildung zuführen, andernfalls würde er an Substanz verlieren. Eine Zurückhaltung hiervon, etwa aus der Erfahrung heraus, dass man mit der Zurückhaltung des Geldes doch stets günstigere Anlagebedingungen erzwingen konnte, gibt es nicht mehr, weil der Drang zur Anlage überall derselbe ist. Nach der Auflösung der Monopolstellung des Geldes gibt es keine kapitalistische Interessen-Solidarität mehr! Jetzt gilt nur noch der Wettbewerb, die bestmöglichen Anlagen ausfindig zu machen, wodurch die Erträgnisse des Kapitals nach und nach eingeebnet werden.

Mit der Durchführung der genannten Maßnahmen wird die danach einsetzende Entwicklung dadurch gekennzeichnet sein, dass

1) der volkswirtschaftliche Blutkreislauf sowohl im Geäder der Verbrauchsgüter-Produktion wie auch in dem der Kapitalgüter-Herstellung nicht mehr unterbrochen werden kann;
2) wird die bis zur Sättigung der Nachfrage anhaltende Kapitalbildung das Zins-Niveau senken und damit das Produktionskosten-Element "Kapital-Ertrag" abbauen;
3) wird mit dem Abbau des arbeitslosen Einkommens aus Kapitalzins entweder eine Verbilligung der Produktion oder eine Steigerung des Arbeitseinkommens Platz greifen.

Die Menschheit wird dem ökonomischen Ziel des am Bestand unserer Zivilisation rüttelnden Verlangens nach sozialer Gerechtigkeit näher kommen und das Ziel hinter allen Schleiern und Nebeln des Irrtums klar und erreichbar erkennen.

Die Gesell'sche Theorie ist ein geschlossenes Ganzes. Sie stellt die Vollendung des Wirtschaftsideals dar, das Adam Smith in seinem großartigen Bild der freien Wettbewerbsordnung als ein in sich harmonisches System gezeichnet hat. Gesell nennt sein System schlicht und einfach "Die Natürliche Wirtschaftsordnung" und hat auch sein Hauptwerk so benannt.

In seinem Werk "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" kommt John Maynard Keynes zu der Überzeugung: "Ich glaube, dass die Zukunft mehr vom Geiste Gesell's als von jenem von Marx lernen wird." Dies wäre in der Tat die Überwindung des Kapitalismus durch den befreiten Wettbewerb.

Karl Walker, 1945


Wer die Natürliche Wirtschaftsordnung bis heute nicht versteht, verfügt über keinerlei Wissen und hat darum auch kein "Gewissen" in Bezug auf die einzig denkbare Möglichkeit des zivilisierten Zusammenlebens. Er ist noch kein wirklich zivilisierter Mensch. Mit der Aneignung des Wissens und damit auch der Ausbildung eines persönlichen Gewissens hat sich jeder einzelne Kulturmensch diesem gegenüber zu verantworten: Jüngstes Gericht


Stefan Wehmeier, 13.10.2014